1579 - Roi Danton der Pirat
ungewohnte Belastung eingestellt hatten, stiegen die Schüler der Friedensstifterin vorn und Roi hinten zu.
Nach einer halben Stunde Fahrt durch weitgehend menschenleere Vororte schwebte der Gleiter ins Zentrum von Sana Eümor. Es ging nur langsam voran, denn je näher man der Stadtmitte kam, um so dichter wurde das Gedränge. Alle Einwohner der Hauptstadt und viele Bewohner anderer Städte schienen sich hier versammelt zu haben. Es herrschte eine Hochstimmung wie auf einem Volksfest. Überall, wo die Besucher auftauchten, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf den wie auf einem Thron hockenden Ertruser, der mit seiner grellbunten Phantasieuniform und den riesigen Bartzöpfen einen abenteuerlichen Anblick bot. Zeitweise brandete frenetischer Beifall auf, doch hin und wieder zerschellten auch kleinere Sauriereier und matschiges Obst an Kinnors Schultern oder Schädel.
Der Klon steckte alles mit erstaunlicher Gelassenheit ein. Nur manchmal warf er ein paar nicht ganz zermatschte Früchte zurück.
Als der Gleiter endgültig in der Menge steckenblieb - ein Überfliegen von Bürgern war verboten -, erblickten Roi Danton und Marfin Kinnor auf einem niedrigen, grasbewachsenen Hügel die aufrecht und unbeweglich auf der Kuppe stehende Gestalt von Cebu Jandavari. Sie trug wie immer eine enge, einteilige schwarze Kombination, die wohl ihrem ursprünglichen Teint und der Haarfarbe angepaßt war, nun aber hart mit dem im schwachen Wind wehenden weißen Haupthaar und der bleichen Haut kontrastierte. „Gespenstisch!" flüsterte Kinnor seinem König zu. „Ich habe früher kitschige alte Videos gesehen, in denen geisterhafte Monster in genau dieser Gestalt auftraten."
Roi sagte nichts dazu. Sie Szene erschien ihm gar nicht komisch. Er hatte eine Gänsehaut bekommen. Ihm war, als wohne er der Einweihung einer Guillotine bei.
Die anwesenden Linguiden dachten und fühlten ganz anders. Sie feierten ihre Friedensstifterin und waren in erwartungsvoller, spannungsgeladener Stimmung. Offenbar warteten sie auf ein angekündigtes Ereignis.
Und das Ereignis trat ein.
Als Cebu Jandavari einen Arm hob, verstummte das Gemurmel der Massen schlagartig. Es wurde totenstill.
Die Friedensstifterin ließ den erhobenen Arm wieder sinken, dann begann sie zu sprechen. Sie sprach leise und mit kaum hörbaren Untertönen und Betonungen, doch ihre besondere Fähigkeit ließ jedes Wort wie eine Offenbarung auf die einfachen Bürger wirken.
Nach einem kurzen Überblick über die letzten geschichtlichen Ereignisse berichtete Cebu über das wundersame Weiterwachsen ihres Kimastrauches - und der Kimasträucher der anderen Zellaktivatorträger unter den Friedensstifterinnen und Friedensstiftern.
Das löste unter der Masse der Linguiden ehrfurchtsvolles Geraune aus. Als Cebu gleich darauf erklärte, daß ihr Geist und alle ihre Fähigkeiten im gleichen Maß wie ihr Kimastrauch gewachsen wären und weiterwüchsen - was auch auf die anderen Zellaktivatorträger zuträfe und nichts Geringeres bedeute, als daß die Linguiden das auserwählte Volk der Superintelligenz ES wären und ihre Friedensstifter somit von ES protegierte Schirmherren der Galaxis, die alle Zivilisationen in eine glückliche Zukunft führen würden -, da wuchs die Begeisterung zu einer Euphorie, die nicht weit von einer Massenhysterie entfernt war.
Ungefähr eine halbe Stunde lang tobte sich die Menge aus. Glücklicherweise waren Linguiden von Natur aus sehr friedfertig und alles andere als Chaoten. Ihre ohnehin nur schwache Aggressivität machte sich nicht in Gewalttaten Luft, sondern mit einem akustischen Sturm, dessen Finale aus gemeinsamen Gesängen bestand.
Danach zerstreute sich die Menge allmählich. Es wurde stiller und stiller, und die beiden Piraten konnten wieder aufatmen. „Diese Linguiden sind schon ungewöhnlich diszipliniert, das muß ich zugeben", bemerkte Marfin Kinnor, als die beiden Männer allein im Gleiter saßen, weil die drei Schüler ihrer Meisterin entgegeneilten.
Er wischte sich ein Eidotter vom linken Bartzopf. „Wenn da nur nicht diese Eier- und Obstwerfer gewesen wären!"
„Das waren keine Linguiden, sondern Springer von auf Aluf stehenden Walzenschiffen", erklärte Roi lächelnd.
Er wurde wieder ernst. „Es ist schon beachtlich, wie clever Cebu Jandavari sich selbst zu vermarkten versteht."
„So machen es doch viele Politiker", meinte der Ertruser.
Rhodans Sohn zuckte die Schultern. „Das schon, aber Cebu verliert immer mehr ihre
Weitere Kostenlose Bücher