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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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von den Gefahren unter Tage. Darum sahen sie auch keinen Zusammenhang zwischen dem Deckeneinbruch und der Tatsache, dass alles dahinter Liegende nie geborgen wurde.
    »Hier ist noch mehr!« Onnar zog und zerrte. Ein trockenes Reißen, dann kam ein Stück Ärmel zum Vorschein. Es erweckte die Neugier der Tongidds, und so machten sie sich daran, die Steinbrocken abzutragen, die den Fundort verdeckten. Stück für Stück legten sie ein fünfhundert Jahre altes Skelett frei. Es war von Lumpen umhüllt und sah ziemlich lädiert aus.
    »Schaut euch das an, Leute!« Maan hielt ein gebrochenes Schulterblatt hoch, dann ein paar Rippen. Sie schimmerten fahl im Licht der Fackeln. »Es ist kein Knochen heil geblieben! Ha! Bis auf den hier!«
    Der Tongidd hatte einen Schutzhelm gefunden, in dem noch der Schädel steckte. Maan zog ihn an den Halswirbeln heraus, warf ihn fort und setzte den Helm auf. Die anderen arbeiteten bereits wieder. Es krachte und splitterte unablässig zwischen den gleichmäßigen Schlägen der Spitzhacken. Maan geriet ins Grübeln. Er tippte seinen Bruder an.
    »Was, glaubst du, ist hier passiert?«, fragte er.
    Onnar unterbrach seine Arbeit für einen Moment und zuckte die Schultern. »Na ja – die Decke ist eingestürzt. Sieht man doch.«
    »Nein, das meinte ich nicht.« Maan gab keine Ruhe. Er wies hinter sich, auf die Teile des Skeletts. »Wie ist dieser Mann unter die Steine geraten? Warum ist er nicht weggelaufen?«
    Onnar legte die Spitzhacke aufs Geröll und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Vielleicht, lieber Bruder«, sagte er gereizt, »hat der Mann genau wie du zu viel geschwatzt bei der Arbeit und deshalb nichts bemerkt!«
    Er warf dem Jüngeren einen strafenden Blick zu und machte sich wieder ans Werk.
    Maan griff nach der Hacke. Sein Arm war plötzlich mit schwarzem Staub bedeckt. Er wischte ihn weg, holte aus und hieb das Werkzeug wütend ins Gestein.
    Körnchen rieselten ihm auf den Kopf, doch das merkte er nicht, wegen des Helms.
    Fleißig und zielgerichtet arbeiteten sich die Brüder durch die Barrikade, damit Uubin ein schönes Grab bekam und sie anschließend ihrer Wege ziehen konnten.
    Über ihren Köpfen gähnte ein riesiges Loch, kuppelförmig und schwarz, wie ein aufgerissenes Maul. Die Arbeit an der Barrikade löste kleine Erschütterungen aus, die sich durch Boden und Wände des Stollens fortpflanzten und dafür sorgten, dass vom Rand der Kuppel Staub und kleine Steinchen herunter fielen. Tief in ihrem Inneren aber, chancenlos versteckt vor jedem Blick, klaffte ein meterlanger Riss. Jeder Schlag der Spitzhacken ließ das umliegende Gestein ein bisschen mehr aufplatzen.
    Jeder Schlag…
    ***
    Vormittags, in Lagtai
    Es war ein paar Grad wärmer geworden, und vom dicht verhangenen Himmel fiel nicht die kleinste Schneeflocke.
    Wäre der Wind nicht gewesen, der sein Tagesgeschäft inzwischen aufgenommen hatte und durch die Steppe pfiff, hätte man es im Freien gut aushalten können.
    Aruula schlug den Kragen ihrer Pelzjacke hoch. Sie hatte ihr Frühstück beendet und stapfte neben Jem'shiin die Straße hinunter. Neugierig sah sie sich um. Wo mochte es sein, das geheimnisvolle Kamshaa?
    Jem'shiin redete unablässig. Es schien ihm egal, ob Aruula ihn verstand oder nicht. Wie ein Fremdenführer zeigte er ständig nach rechts und nach links.
    »Da vorn sind die Nukkos untergebracht! Wirst du gleich sehen; ich glaube, Suresh ist schon unterwegs, um sie mal raus zu lassen.« Er klopfte sich auf den Bauch. »Schmecken gut, die Dinger! Oh, und in dem Stall da drüben bei der Scheune stehen die Jingiis, aber das hatte ich dir ja schon gesagt. Ich bin nur heilfroh, dass die Leute, die hier gewohnt haben, so viele Vorräte zurückgelassen haben! Sonst hätten wir ein echtes Futterproblem gekriegt mit den Viechern.«
    Aruula horchte auf. Da war plötzlich wieder dieses Weinen, das sie gestern Abend schon vernommen hatte. Es war hell und vielstimmig, und es kam aus dem Stall. Sie zeigte darauf und fragte Jem'shiin empört: »Habt ihr da etwa Kinder eingesperrt?«
    Der shassun nickte heftig. »Genau! Das sind die Nukkos. Sie machen immer solchen Krach, wenn sie gemolken werden oder raus dürfen. Du verstehst meine Sprache schon richtig gut, was?«
    Die hintere Stalltür flog auf, und eine Flut von schwarzweißen Wollknäueln ergoss sich in die Koppel. Sie tobten durch den Schnee wie junge Hunde, rammten sich gegenseitig die Krummhörner in die Flanken und plärrten ihre Lebensfreude heraus

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