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158 - Orguudoos Brut

158 - Orguudoos Brut

Titel: 158 - Orguudoos Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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waren offenbar zu klug für sie. Plötzlich hielt die junge Frau inne und warf einen nachdenklichen Blick auf das Fleisch in ihrer Hand.
    Vielleicht war es nur der falsche Köder! Luuja hob den Kopf. Sie lauschte dem Hämmern und Klopfen der Spitzhacken im Stollenlabyrinth, und ihr Lächeln wurde verschmitzt. Der falsche Köder! Bei Orguudoo – das lässt sich ändern!
    ***
    Kurz darauf, in Lagtai
    »Was machen wir mit der Frau?«, fragte Lamak und wies über seine Schulter. Chengai hatte den saikhanas vergeblich zugerufen, sich um Aruula zu kümmern. Die Barbarin war ihnen ausgewichen und davongerannt. Vermutlich in die Scheune.
    »Gebt ihr etwas Zeit! Wenn ihr wieder einfällt, dass sie kein Reittier und keinen Proviant besitzt, wird sie sich beruhigen«, sagte Chengai ohne aufzusehen. Dann zurrte er den letzten Strick fest und nickte zufrieden. Das Gitter war fertig.
    Auf sein Zeichen hoben die Männer es an und trugen es zum Rand der Grube. Sie lag in unebener Erde, zwischen knotigen Wurzeln, und man musste vorsichtig sein, wo man hintrat.
    Ausrutschen war allerdings nicht die einzige Gefahr.
    Chengais Blick wanderte vom Boden zur Baumkrone; vorbei an der steif gefrorenen kleinen Gestalt und hinein ins Geäst. Es war ganzjährig begrünt und sah recht appetitlich aus.
    Die großen fleischigen Gingkoblätter trugen Häubchen aus Schnee, und an jeder Unterseite hing ein grün schillernder Eiszapfen. Er bestand aus der Flüssigkeit, die beim Frostplatzen des Blattes ausgetreten war – einem verhängnisvollen Cocktail aus Methansäure, Acetylcholin, Natriumformiat und Ameisensäure. Der Baum produzierte ihn zum Schutz gegen Fressfeinde. Lamak war zwar keiner, doch das wiederum konnte der Baum nicht wissen.
    Als er das Gitter am Grubenrand aufrecht stellte, stieß eine der Kanten an einen Zweig. Chengai sah es und rief eine nutzlose Warnung. Sie erreichte Lamak, als der Eiszapfen schon abgebrochen war und gerade durch den Kragen in seiner Jacke verschwand.
    Wer je mit Brennnesselgift in Berührung gekommen ist, kann sich vorstellen, wie es Lamak erging, als eine tiefgekühlte Großpackung davon über seinen Rücken schrammte.
    »Dang ko! She'nak wai!«, brüllte der Saikhan mit verzerrtem Gesicht, sprang zurück und riss sich die Jacke herunter. Der Juckreiz war unerträglich. Lamak packte in den Schnee, stieß sich ganze Klumpen davon an den Rücken und warf sich schließlich, weil die Kühlung nicht reichte, der Länge nach hin. Chengai sah ihm zu, kopfschüttelnd und mit verschränkten Armen.
    Die anderen Männer hatten inzwischen das schwankende Gitter stabilisiert und senkten es über die Grube. Narayan breitete etwas Stroh aus, um die Zwischenräume zu schließen.
    Dicke Flocken fielen darauf, und er lächelte grimmig. Zwei Stunden, vielleicht drei, dann war der Platz hier zugeschneit und jede Fußspur verschwunden.
    Narayan erhob sich.
    »Die Jingiis brauchen Bewegung«, sagte er.
    Chengai nickte. »Die bekommen sie auch – und zwar jetzt!«
    Wenig später saßen die Saikhan auf dem ungesattelten Rücken ihrer Steppenpferde. Es waren Fünfgänger mit hellen klugen Augen. Die Hengste bildeten ein kurzes Horn aus, das schraubenförmig auf der Stirn wuchs und Jahresringe anzeigte.
    Alle Tiere hatten einen extrem dichten Kötenbehang, und zwischen ihren Nackenwirbeln lagen Drüsen, um die sie jedes Stinktier beneidet hätte. So waren sie – ob vom Boden aus oder im Ansprung – immer eine schwer zu fassende Beute.
    Mit dem Fohlen von Makand an seiner Seite führte Chengai den kleinen Reitertrupp an, der die Straßen von Lagtai durchquerte. Er besaß einen seltenen schwarzen Tölter; Lamak und Rai waren auf den üblichen Braunen unterwegs, Narayan ritt eine Falbstute. Jingiis glichen von ihrer Gesamtstatur den früheren Isländern, allerdings waren sie ramsköpfig und hatten eine überproportionale Hinterhand. Letztere war das untrügliche Indiz für ihre besondere Fähigkeit: Kein Tier der Steppe – nicht einmal ein Yakk! – konnte es im Spurt mit einem Jingii aufnehmen.
    Das stellten ihre Reiter gleich unter Beweis, als sie freies Gelände erreichten. Ein paar Pfiffe, schrilles Wiehern, und die Jingiis flogen los wie von der Sehne geschnellt. Kopf an Kopf ging die Hatz übers Feld, mal nach hier, mal nach da, mit donnernden Hufen und Schneefontänen.
    Chengai war stolz auf sein gewonnenes Hengstfohlen, das so mühelos mit dem schwarzen Tölter Schritt hielt. Auch die anderen Saikhan beschäftigten sich

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