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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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war der Boden weggebrochen, in Löcher oder Tunnel hinabgestürzt.
    Der Käfer musste sich über Jahre hinweg mit Hilfe seiner Lamellenbeine ein Labyrinth gegraben haben, in dem er auf unbedarfte Beute gewartet hatte. Vielleicht spürte er die Erschütterungen oberhalb seines Reiches, vielleicht roch er seine Opfer. Es war Aruula einerlei.
    Weitaus wichtiger schien ihr, so rasch wie möglich dieses unheimliche Land hinter sich zu lassen. Die schmalen Passagen und Wege zwischen den hochragenden Felsreihen, die sie entlang gekommen war, wirkten mit einem Mal unsicher. Wer wusste schon, ob sich nicht weitere der Tiere in unmittelbarer Nähe befanden? Ein paar Kinderchen, die nach der Mutter suchten – oder gar der Herr Papa?
    Rapushnik ließ sich bemerkenswert rasch einfangen. Hatte sich Aruula etwa seinen Respekt erkämpft?
    Sie musste dem Kamshaa Abbitte leisten. Mit seinen Instinkten hatte es die Nähe des gefährlichen Käfertieres wohl gespürt. Kein Wunder, dass es eine derartige Sturheit an den Tag gelegt hatte.
    Die Barbarin reichte ihm eine zusätzliche Handvoll Nüsse, bevor sie sich um ihre Blessuren kümmerte. Mit einem angefeuchteten Tuch reinigte sie oberflächliche Schürf- und Kratzwunden. Sie fühlte sich müde und zitterte. Die Intensität des Kampfes hatte sie ganz schön hergenommen.
    »Au, verdammt noch mal!« Verwundert betrachtete sie die Narben an ihren Oberschenkeln und der rechten Schulter. Dort, wo sie die Lamellenfühler des Käfers getroffen hatten, zogen sich schwärende Striemen übers Fleisch.
    »Gift!«, murmelte Aruula. »Es ist in meinem Blut.«
    Teilnahmslos sah sie zu, wie sich dunkelblaue Bahnen unter ihrer Haut verästelten, immer weiter ausbreiteten. Trotz zunehmender Müdigkeit riss sie sich die Kleidung so rasch wie möglich vom Leib, achtete nicht weiter auf die Kälte und den scheuernden Sand.
    »Ich muss das vergiftete Fleisch wegschneiden oder wegbrennen«, sagte sie leise zu sich selbst. »Und bei Bewusstsein bleiben…«
    Sie stand mit zitternden Knien auf, ließ das plötzlich so schwer gewordene Schwert aus der Hand gleiten.
    Was wollte sie soeben tun? Weiter marschieren? Das Tier füttern? Essen? Schlafen?
    Nein, sie musste wach bleiben, unter allen Umständen, musste…
    Ihre Gedanken verwirrten sich zunehmend. Ein Labyrinth aus unregelmäßig geformten Bahnen entstand vor ihren Augen.
    Blau und rot war es. Eilig rannte sie davon, stets verfolgt von einem unbekannten Feind, der seine Gestalt wandelte, sie verschlingen und wegtragen wollte in die Dunkelheit, ins Schwarz, dorthin, wo ewige Ruhe auf sie wartete.
    Sie lief und lief und lief, auf das schwächer werdende Licht zu. So lange, bis es nur noch die Größe eines winzig kleinen Punktes inmitten ewiger Finsternis hatte – und schließlich endgültig verschwand.
    Aruula hörte auf zu existieren.
    ***
    Wenige Minuten zuvor
    »Sie ist schandhaft gräulich!«, flüsterte N’oia.
    »Und so schrecklich blöde«, gab Izo’sch zur Antwort. »Es ist eigentlich ein Wunder, dass sie so weit gekommen ist.«
    »Einerlei. Ich kann die Sandqualle unter ihren Beinen bereits riechen. Sie wird die Frau verschlingen. Weiß die Hässliche denn nicht, dass Brunftzeit ist? Dass die Quallenweibchen auf Beute lauern, um Kraft für die Paarung zu gewinnen?«
    »Nein. Sie weiß es nicht. Sie muss von weither kommen.«
    »Sollen wir ihr helfen?«
    »Und das eigene Leben riskieren?« Izo’sch schüttelte energisch den Kopf. »Es ist nicht unsere Schuld. Zudem sollten wir froh darüber sein, wenn die Sandquallen eine gute Brunftzeit erleben und im Frühjahr gesättigt aus ihren Höhlen kommen. Das macht sie zahm und zutraulich. Auch ihre Milch schmeckt dann weitaus besser.«
    N’oia nickte zustimmend. Wenn das Menschenweib wenigstens mehr Speck an den Hüften gehabt hätte…
    »Ich kann die Qualle fühlen!«, sagte Izo’sch.
    Er sprach überflüssigerweise das aus, was N’oia ohnehin sehen und fühlen konnte. Da und dort staubte Sand zu Boden, und Erschütterungen, so heftig, dass sie einen Tauben und Blinden hätten aufschrecken können, wurden spürbar.
    Sie blickten über das Scharfgrat hinab, blieben dabei stets im Schatten der Felsen. Mühelos, wie sie es von Kindesbeinen an gewohnt waren, verschmolzen sie mit ihrer Umgebung.
    Schimärenkrieger wurden nur dann sichtbar, wenn sie es wollten.
    Die Hässliche war mutig. Sie zeigte sich von der wilden Attacke des Brunfttieres kaum überrascht und schwang ihr seltsam langes Schwert

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