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1596 - Abgrund der Zeit

Titel: 1596 - Abgrund der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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neben dem Bett auf einem mechanischen Ständer hing. Sie ließ die Tür aufgleiten und eilte hinaus in das Wohnzimmer. Kallia saß mit in die Hände gestütztem Kopf am Tisch und bewegte lautlos die Lippen.
    Als sie Enza wahrnahm, hob sie leicht den Kopf. „Ich konnte nicht schlafen", sagte sie an Stelle einer Begrüßung. „Ich mache mir Sorgen. In den letzten Wochen hat Myles sich verändert, eigentlich schon seit dem Zeitpunkt, als die Nakken als Wahnsinnige von Wanderer zurückkehrten. Es ist, als nähme er manchmal gar nicht wahr, was um ihn herum vor sich geht. Sein Geist muß sich unablässig mit ES, Wanderer und der Bahn beschäftigen.
    Er geht in die Kantine essen, und wenn er fertig ist, bestellt er sich ein Menü, weil er vergessen hat, daß er schon eine Mahlzeit zu sich genommen hat. Wenn er das Waringer-Building verläßt und mit einem Gleiter irgendwo hinfliegt, kommt er nicht an, weil er dem Syntron ein falsches Ziel genannt hat. Ich habe mir die Mühe gemacht, bei der Verkehrssteuerung in Terrania nachzufragen, wie viele falsche Informationen er in den letzten drei Wochen gegeben hat. Es sind über vierzig.
    Ich befürchte, Myles steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich wundere mich nur, daß die Medos keinen Alarm gegeben haben. Myles Anruf, bevor er schlafen ging, hat mich endgültig alarmiert. „ Enza Mansoor setzte sich zu Kallia an den Tisch und griff nach ihrer Hand. „Die Medos werden regelmäßig überprüft und sind auf keinen Fall manipuliert. Wenn Myles krank wäre, wüßten wir es bereits."
    „Ich meine auch nur, weil er in seiner Jugend doch unter diesen merkwürdigen Symptomen gelitten hat. Zu viele weiße Blutkörperchen, ohne daß eine Ursache ersichtlich war. Oder der Takvorianismus, wie Notkus das Phänomen genannt hat."
    Die Erwähnung von Notkus Kantor stimmte Enza übergangslos melancholisch und ließ all die schönen Jahre der Gemeinsamkeit vor ihrem inneren Auge aufsteigen. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und drückte Kallias Hand lediglich ein wenig fester. „Ich verstehe deine Sorge. Auch mir ist aufgefallen, daß er sich verändert. Ich habe seit damals immer damit gerechnet, daß Myles irgendwann wieder seine Andersartigkeit zeigt. Ja, er ist anders, Kallia, wir dürfen nicht die Augen davor verschließen. Er ist ein Mensch wie du und ich, aber sein Geist besitzt eine Macht, die wir nicht fassen können. Dies wird immer wieder im Lauf seines kurzen Lebens zum Vorschein kommen."
    Sie erhob sich und zog die junge Frau an sich. „Erschrick nicht, wenn ich von einem kurzen Leben spreche. Du liebst ihn, und er liebt dich.
    Irgendwie träumt ihr beide davon, ein Leben voller Harmonie und Gemeinsamkeit zu führen.
    Manchmal, wenn er mich ansieht, dann habe ich den Eindruck, als sähe er nicht seine Mutter vor sich, sondern dich. Mein Gott, Kallia. Was soll ich euch für einen Rat geben? Euch zu beeilen, weil Myles Lebensenergie früher aufgebraucht ist als die eines Durchschnittsmenschen? Wer kann schon sagen, wie lange sein Körper durchhält? Fünfzig, hundert oder hundertfünfzig Jahre? Das wäre, gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Terraners, wenig und doch so viel."
    Eine einzelne Träne stahl sich aus ihrem linken Auge und hinterließ eine schmale Spur auf der Wange. „Bis dahin wird sein Geist noch Welten bewegen. Daran glaube ich fest."
    „Ich wollte mit ihm selbst sprechen, aber er ist nicht da", sagte Kallia und erreichte damit, daß Enza vehement zurückfuhr. „Nicht da?"
    „Der Syntron sagt, er habe das Haus nach Mitternacht verlassen."
    Enza rannte zur Treppe und die Stufen hinab, durchquerte das akustische Abschirmfeld und tauchte in das unentwegte Ticken mehrerer Dutzend großer Uhren ein. Übergangslos glaubte sie den Atem ewiger Zeitlosigkeit zu spüren. Sie eilte auf Zehenspitzen vorwärts und ließ die Tür zu seinem Zimmer aufgleiten. Gleißend blaues Licht empfing sie, und sie sah, daß ihr Sohn tatsächlich nicht im Bett lag. Sie beachtete das Licht nicht weiter und durchsuchte die übrigen Zimmer des Souterrains. Das Kantormobil stand drüben in der Garage neben dem Gleiter, aber Myles war nicht daheim. „Syntron!" rief die Frau. „Wo steckt er. Ist er auf dem Dach? Schlafwandelt er wie schon einmal?"
    „Nein, Enza. Sein Aufenthaltsort ist mir nicht bekannt. Soll ich ihn in Erfahrung bringen?"
    „Ja, tu das!"
    Sie eilte zurück zu Kallia und zog sie mit sich hinaus auf die Terrasse. Gemeinsam stiegen sie die

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