1598 - Der Tag des Zorns
ein. Atlan antwortete ohne Zögern. „Nur wer ein Warum kennt, erträgt fast jedes Wie - eine Bemerkung von Nietzsche."
„Und was will der Dichter uns damit sagen?" spottete Bully. „Daß Menschen sehr viel mehr ertragen und aushalten können", erklärte der Arkonide, „wenn sie einen Sinn darin erkennen oder wenigstens vermuten können."
„Und unser ehemaliger Kristallprinz hat einen solchen Sinn gefunden? Laß hören!" Atlan nickte zögernd. „Ich will versuchen, es anschaulich zu machen", begann er dann. „Aus den Archiven Weiß ich, daß es früher teilweise üblich war, darstellerische Kunstwerke auf semitransparenten Membranen sequentiell zu speichern - so drückt sich jedenfalls mein Extrahirn aus."
„Augenblick", fiel ihm Reginald Bull ins Wort. „Ich habe zwar arkonidische Hypno-Schulung genossen, aber das muß ich erst einmal in normale Menschensprache übertragen. Wovon redest du, Mann? Was meinst du?"
Atlan begann zu lachen. „Ich meine Filme", stieß er lachend hervor. „Kinofilme auf Zelluloid.
Meisterwerke, aus Abfolgen von einzelnen Bildern aufgebaut."
„Und wenn man an eines der Bilder heran will, muß man sich den ganzen Film ansehen", bemerkte Reginald Bull. „Genau das habe ich gemeint", sagte der Arkonide. „Bei dieser Form der Aufzeichnung auf einer Rolle liegen alle Bilder hintereinander. Der Begriff Zeit ergibt sich in diesem Zusammenhang durch die Abfolge der Bilder, durch ihre Verknüpfung. Wenn man den Film normal abspielt, erzählt er eine Geschichte, und zwar Bild für Bild hintereinander. Es ist diese besondere Art der Verknüpfung, die wir Zeit nennen, dieses Nacheinander."
„Nennen?" Julian Tifflors Stimme klang skeptisch. Perry Rhodan hatte sich gegen ein Instrumentenpaneel gelehnt und hörte aufmerksam zu. „Ja, nennen. Wir können Zeit nicht wirklich wahrnehmen", erklärte der Arkonide. „Nicht auf ähnliche Weise, wie wir zum Beispiel Gewicht wahrnehmen können oder Wärme. Zeit, das ist eine ganz besondere Art von Wechselwirkung zwischen Dingen, der wir diesen Namen gegeben haben. Nehmen wir nun an, wir könnten all die Bilder eines solchen Films auf einer Ebene ausbreiten, so daß man sie alle gleichzeitig sehen kann. Die Geschichte, die in dem Film erzählt wird, bliebe die gleiche, die innere Verknüpfung auch, aber sie wäre für uns auf eine andere Weise zugänglich. Wir hätten auf jedes einzelne Bild sofort Zugriff."
„Relative Datenspeicherung, ein alter Hut", kommentierte Ronald Tekener. „Richtig", stimmte Atlan mit lauter Stimme zu. „Gehen wir noch einen Schritt weiter. Nehmen wir viele Millionen und Milliarden solcher Filme aus vielen Millionen von Jahren, dann haben wir in gewisser Weise ein Abbild der Geschichte dieser Jahre - und auf eine vergleichbare, wenn auch unvorstellbare Weise verwaltet wahrscheinlich auch ES seine Erinnerung. Von einer Warte aus, die wir uns nur schwer vorstellen können, sind ihm alle diese Informationen aus Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen zugänglich - und zwar, wenn man so will, als seine private Gegenwart. Für ES ist die gesamte Geschichte des Universums ein einziger gigantischer Film, dessen Bilder ihm jederzeit und gleichzeitig zugänglich sind."
„Da komme ich nicht mehr mit", murmelte Bull betroffen. „Das klingt ungeheuer kompliziert.
Gleichzeitig zugänglich?"
„Das Fiktivwesen, das wir kennen, bewegt sich - so stellen wir uns das vor - frei durch Raum und Zeit; ES von vor zehntausend Jahren und ES in zwei Millionen Jahren - gibt es da einen Unterschied?"
Reginald Bull starrte den Arkoniden betroffen an, dann wechselte sein Blick hinüber zu Perry Rhodan. „Kennen wir ein junges ES, ein altes ES?" fuhr Atlan fort. „Ein Fiktivwesen in seinen Flegeljahren ..."
Reginald Bulls Betroffenheit machte schlagartig einem breiten Grinsen Platz. „Das kennen wir, die Flegeljahre. Die sind jetzt, und die werden wahrscheinlich noch ein paar Jahrhunderttausende anhalten, fürchte ich."
„Ich verstehe, was du sagen willst, Atlan", warf Perry Rhodan ein. „Fahre fort, bitte!"
„Klar ist, daß die normalen Zeitbegriffe für ES nicht gelten, insbesondere deswegen nicht, weil ES selbst ja nicht der Zeit unterworfen ist wie wir, sondern in gewissem Umfang über die Zeit gebietet. ES kann die Vergangenheit ändern und dadurch die Zukunft anders gestalten, es gibt einige Beispiele dafür - Barkon möchte ich an dieser Stelle erwähnen."
„Ich kenne noch einige andere", sagte Perry Rhodan
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