1598 - Der Tag des Zorns
die Schultern. „Ich weiß es nicht", sagte er. „Vorstellbar ist, daß es in Vergangenheit und Zukunft auch in der Gegenwart einige Daten über raumzeitliche Zusammenhänge gibt, die nicht oder nur äußerst schwer änderbar sind."
„Die Zeittafeln von Amringhar?" rief Alaska Saedelaere aus. „Ich erinnere mich an das Kontinuum, in dem wir die Tafeln entdeckt haben - seltsame Gebilde, die miteinander zusammenhingen wie Knoten in einem Netz ..."
„Indras Netz", sagte Sato Ambush mit einem leisen Lächeln. „Ein Gespinst aus Myriaden von Perlen, die nichts tun, als einander unaufhörlich zu bespiegeln!"
Alaska Saedelaere schauderte, als er daran dachte. „Es war großartig", sagte er leise. „Aber auch erschreckend. Zum Wahnsinnigwerden."
Perry Rhodan kehrte zum praktischen Teil von Atlans ausführlichen Überlegungen zurück. „Was passiert, wenn ES die innere Ordnung und Kontrolle über seine Zeiten verliert?"
Atlan wiegte den Kopf. „Wahrscheinlich ist ES in einem Punkt allen anderen Geschöpfen ähnlich", sagte er. „ES wird nach dem Grundsatz der Homöostase leben und versuchen, ein inneres Gleichgewicht zu halten."
„Wie?"
„Indem ES Abweichungen aufzufangen und auszugleichen versucht, um das vermeintliche oder tatsächliche Ungleichgewicht auszubalancieren."
„Das ist mir zu unanschaulich", stieß Reginald Bull hervor. „Nun, vereinfacht ausgedrückt, wenn ES in der Alpha-Zeit Daten findet, die nach seiner Überzeugung eigentlich Beta-Zeit sein müßten, dann wird ES versuchen, durch Manipulationen die Daten der richtigen Zeit anzupassen."
Perry Rhodan hatte die Augen geschlossen. Mit den Spitzen beider Finger massierte er sich die Schläfen.
Seine Stimme war leise und ruhig, aber es war zu hören, welche Anspannung er auszuhalten hatte. Sie klang müde, es war ein feiner Unterton von Schmerz darin. „Bedeutet das, daß ES versuchen wird, unsere tatsächliche, unsere Alpha-Zeit zu ändern?"
„Wenn ES sie für Beta- oder Delta-Zeit hält? Ja, das wird ES versuchen."
„Und wie?"
„Indem ES eine Alternative dazu aufbaut. Dank seiner Fähigkeit zur Manipulation von Zeit und Raum kann ES das."
Perry Rhodan machte eine Bewegung, die in die Leere des Raumes zielte, dorthin, wo Wanderer und die Schiffe der Nakken zuletzt geortet worden waren. „Soll das heißen, daß ES gewissermaßen an einer Parallelgeschichte für die Galaktiker strickt?"
„Ich weiß nicht, ob stricken das richtige Wort ist", antwortete Atlan. „Aber der grundsätzliche Vorgang ist damit halbwegs korrekt umschrieben, glaube ich."
„Allmächtiger!" stieß Reginald Bull entsetzt hervor. „Aber wenn ES in seiner Wahrnehmung gestört ist, wie du sagst, wenn ... Ich darf mir das gar nicht vorstellen. Wenn jemand so besoffen ist, daß er mit den technischen Einrichtungen seines Raumschiffs nicht mehr zurechtkommt, dann kann dieser Jemand doch unmöglich in der Lage sein, das Raumschiff auf eine sinnvolle und funktionstüchtige Art und Weise umzubauen, wenn er es in seinem Zustand versucht."
„Ein etwas derbes, aber durchaus anschauliches Bild", sagte Atlan grinsend. „Ja, so ist es."
„Dann würde ES ja in diesem Augenblick an ganz aberwitzigen, unsinnigen Varianten der Geschichte herumbasteln?"
„Ja, so kann man es nennen."
„Und? Was kommt dabei letztendlich heraus?"
„Wenn man berücksichtigt, daß ES, wie wir bereits herausgefunden haben, gewissermaßen an einem präsuizidalen Syndrom leidet, dann erscheinen zwei Ergebnisse denkbar."
„Aha, und was ist Nummer eins?" Atlan zögerte. Hilfesuchend sah er Perry Rhodan an. „Nur zu", sagte der lächelnd. „Wir haben schon manches andere ertragen."
„Einleitende Worte, wie ich sie liebe", bemerkte Atlan bissig.
In diesem Augenblick schaltete sich Sato Ambush behutsam in das Gespräch ein, das der Pararealist bislang sehr aufmerksam verfolgt hatte. „Ein Ergebnis könnte sein", sagte Sato Ambush vorsichtig, „daß ES eine Wirklichkeitsvariante der Gegenwart realisiert, die ihm erlaubt, wieder im inneren Gleichgewicht zu leben."
„Klartext!" forderte Reginald Bull scharf; er holte tief Luft, fuhr sich mit fünf Fingern durch die schweißfeuchten rostroten Haare. Perry Rhodan lächelte. Das hatte Bully schon auf der Akademie gemacht, vor langer Zeit, in einer Vergangenheit, die jetzt vielleicht schon nicht mehr existierte. „ES könnte eine andere Gegenwart erschaffen und stabilisieren, die von der unseren völlig verschieden ist. Eine
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