16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
auch zugeben, daß du einen kleinen Grund gehabt hast, dich von deinem guten Herzen fortreißen zu lassen; aber du darfst nicht zu weit gehen. Wenn er dir das Leben geschenkt hat, so begreife ich, daß du dich jetzt scheust, ihm das seinige zu nehmen; aber warum willst du da auch die anderen schonen? Ihnen hast du nichts zu verdanken. Ihn haben die Aladschy übernommen; du sollst dich über den Omar hermachen, und ich sehe keinen Grund, warum du das nicht tun willst.“
„Ich habe Grund genug. Was der Deutsche tut, das tut er nicht allein, sondern in Übereinstimmung mit seinen Begleitern. Meine Dankbarkeit gilt nicht ihm allein, sondern auch den andern. Und selbst wenn ich nur ihm verpflichtet wäre, dürfte ich mich nicht an einem seiner Begleiter vergreifen, da ich ihm dadurch Schmerzen bereiten würde. Ich bin gekommen, euch zu sagen, daß ihr in dieser Angelegenheit von mir absehen sollt. Ich habe mir vorgenommen, mich nicht zu beteiligen, und werde auf alle Fälle diesem Vorsatz treu bleiben.“
„Bedenke die Folgen!“
„Ich habe nichts zu bedenken.“
„O doch! Ist es dir so gleichgültig, unsere Freundschaft zu verlieren?“
„Soll das etwa eine Drohung sein? Dann wäre es besser, du hättest sie nicht ausgesprochen. Ich habe dem Deutschen meinen Czakan, also mein Yrza mebni wad (Ehrenwort) gegeben und werde dasselbe halten. Wer mich da hindern will, der hat es mit mir zu tun. Wollt ihr eure Freundschaft in Feindschaft umwandeln, so tut das in Allahs Namen, aber glaubt nicht, daß ich mich vor euch fürchte. Ich will und werde mich vollständig teilnahmslos verhalten, aber nur so lange, als ihr mich in Ruhe laßt. Das ist alles, was ich euch zu sagen habe. Ich bin fertig und kann nun gehen.“
Er wendete sich dem Ausgang zu.
„Halt!“ rief Habulam. „Sei verständig, und bleibe!“
„Ich bin verständig, aber mein Bleiben hätte keinen Zweck.“
„In diesem Wetter kannst du doch nicht fort!“
„Was mache ich mir aus dem Regen!“
„Aber du kannst doch nicht während dieses heftigen Gewitters nach Sbiganzy reiten!“
Er warf einen forschenden Blick in das Gesicht des Miriditen. Dieser verstand denselben und antwortete:
„Habe keine Sorge! Ich werde nicht hinterlistig gegen euch handeln. Wenn du befürchtest, daß ich dableibe und heimlich mit diesen fremden Leuten rede, um sie zu warnen, so irrst du dich. Ich gehe hinaus unter die Bäume zu meinem Pferd, steige auf und reite fort. Ich habe euch gesagt, daß ich nicht gegen euch sein werde, und werde mein Wort nicht brechen.“
Er bückte sich, um die Bündel, welche die Tür bildeten, zu entfernen. Die andern sahen ein, daß er sich nicht zurückhalten lasse; darum sagte der alte Mübarek:
„Wenn du denn wirklich gehen willst, so schwöre uns vorher bei dem Bart des Propheten, daß du dich der Fremden nicht annehmen wirst!“
Der Miridit antwortete unter einer zornigen Bewegung:
„Dieses Verlangen ist eine Beleidigung. Ich habe euch mein Wort gegeben, und ihr müßt an dasselbe glauben. Bist du etwa nicht gewohnt, das deinige zu halten? Dennoch will ich den Schwur ablegen, weil ich nicht in Unfrieden von euch scheiden möchte. Bist du nun zufrieden?“
„Ja; aber bedenke wohl, welcher Strafe du verfallen würdest, wenn es dir einfiele uns zu täuschen! Wir lassen nicht mit uns scherzen!“
Das war in einem Ton gesprochen, welcher den Stolz des Miriditen herausforderte. Dieser trat von dem Eingang weg, hart an den Alten heran, und sagte:
„Wagst du es, mir das zu sagen, du, dessen ganzes Wesen und Handeln eine einzige große Lüge ist? Wer bist du? Der alte Mübarek, der Heilige! Ist das nicht eine Lüge? Du warst auch Busra, der Krüppel. War das nicht auch Täuschung? Wo bist du her, und wie lautet dein wirklicher Name? Niemand weiß es, niemand kann es sagen. Du bist gekommen wie eine Krankheit in das Land, – wie eine Taan (Pest), vor welcher Allah alle seine Gläubigen beschützen möge. Du hast dich in das verfallene Gemäuer der Ruine festgesetzt, wie ein Sukutan, wie ein Bengi (arabischer Name für Schierling und Bilsenkraut), welcher den ganzen Umkreis vergiftet hat. Ich selbst bin nur ein sündhafter Mensch, aber mit dir mag ich mich nicht vergleichen, und noch viel weniger dulde ich es, von dir beleidigt zu werden. Wenn du meinst, eine Macht zu besitzen, vor welcher man sich fürchten muß, so überlasse ich es schwachen Menschen, diese Furcht zu hegen. Es kostet jedem von uns nur ein Wort, so bist du
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