Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
keiner von uns darf etwas tun, was gegen den Willen der andern ist. Darum muß ich dir sagen, daß du sehr unüberlegt und leichtsinnig gehandelt hast!“
    „Bin scheïtanlar – tausend Teufel!“ rief der Miridit jetzt zornig. „Das wagst du mir zu bieten, du, den ich gar nicht kenne, von dem ich nicht einmal weiß, wer er ist, woher er kommt und an welchem Ort er den Eingang zur Hölle finden wird? Sage mir noch eine einzige solche Beleidigung, so führt dich meine Kugel nach der Tiefe, in welcher der Baba bozulmanun (Vater des Verderbens = Teufel) wohnt. Ich bin ein Miridit, ein Sohn des berühmtesten und tapfersten Stammes der Arnauten, und lasse mich nicht von dir beleidigen. Indem du mir mit solchen Worten gegenüber trittst, hast du dich an den Rand des Grabes gestellt. Ein kleiner Griff von mir, und du stürzt hinab!“
    „Oho! Auch ich bin bewaffnet!“ antwortete Barud el Amasat, indem er die Hand an den Griff seiner Pistole legte.
    „Halt!“ rief da der alte Mübarek. „Sollen Freunde sich in Uneinigkeit verzehren? Barud el Amasat, es ist ganz gut, daß du um unsere Sache eiferst; aber du darfst es nicht in Worten tun, welche beleidigen. Setze dich wieder nieder! Der Miridit wird mir aufrichtig sagen, in welcher Weise er mit diesen Menschen einen Waffenstillstand abgeschlossen hat.“
    Barud setzte sich mißmutig nieder, und der Miridit erklärte:
    „Ich habe dem Deutschen meinen Czakan gegeben.“
    „Allah! Das ist ein heiliger Brauch, bei welchem die Vereinbarung niemals rückgängig gemacht werden kann. Auf wie lange Zeit hat er die Waffe erhalten?“
    „Auf so lange, bis er sie mir freiwillig zurückgibt.“
    „Das ist ja so gut wie für ewige Zeit!“
    „Wenn es ihm so beliebt, kann ich nichts dagegen haben.“
    „Ich will dich nicht tadeln, denn ich kenne deine Gründe noch nicht. Mit einem Mann, gegen welchen man eine Blutrache hat, schließt man nicht ohne eine sehr triftige Veranlassung einen solchen Frieden. Du mußt also diesem Deutschen, den Allah verdammen möge, sehr viel zu verdanken haben.“
    „Ich habe ihm alles zu verdanken, nämlich mein Leben. Es lag in seiner Hand, und doch hat er es mir nicht genommen.“
    „Erzähle uns, wie das sich zugetragen hat!“
    Der Miridit lieferte einen Bericht seines verunglückten Überfalles und erzählte die Sache so wahrheitsgetreu, daß mein Verhalten in das günstigste Licht gestellt wurde. Er schloß mit der Bemerkung:
    „Ihr seht also, daß ich nicht leichtsinnig gehandelt habe. ‚Kerem silahdan daha kuwwetli dir‘ (Der Edelmann ist stärker als die Waffe). Ich habe dieses Sprichwort bisher für unwahr gehalten; jetzt aber bin ich ganz derselben Meinung. Mein Bruder war selbst an seinem Tod schuld. Wenn ich ihn trotzdem zu rächen beabsichtigte, so stand ich als Bluträcher dem Deutschen so feindlich gegenüber, daß er, um sein Leben zu retten, mir unbedingt das meinige nehmen mußte. Er hat dies nicht getan. Ich war vollständig in seine Hand gegeben, und trotzdem krümmte er nicht ein Haar meines Hauptes. ‚Kan kani etschün‘ (Blut um Blut), so lautet das Gesetz der Rache; aber der Koran gebietet: ‚Adschyma adschymaji itschün‘ (Schonung gegen Schonung). Wem habe ich zu gehorchen, dem Koran des Propheten oder der Satzung sündiger Menschen? Steht nicht in den heiligen Büchern zu lesen: ‚Schükri nimet göge doghru götür‘ (Dankbarkeit führt zum Himmel)? Der Deutsche hat mir die größte Wohltat erwiesen, welche es geben kann. Wollte ich ihm dafür nach dem Leben trachten, so würde ich Allahs Zorn für immer auf mich laden. Darum habe ich ihm meinen Czakan gegeben. Wenn infolgedessen meine Hand nicht gegen ihn ist, so braucht ihr doch nicht zu denken, daß ich nun feindselig gegen euch handeln werde. Tut, was ihr wollt! Ich hindere euch nicht daran; aber verlangt nicht von mir, daß ich mich an der Ermordung meines Wohltäters beteiligen soll.“
    Er hatte sehr ernst und mit großem Nachdruck gesprochen. Seine Worte erreichten so ziemlich die beabsichtigte Wirkung. Die andern blickten einander eine Weile stumm an. Sie konnten ihm nicht unrecht geben, und doch war ihnen die Schonung, welche er gegen uns üben wollte, höchst unangenehm.
    „Scheïtan bu Nemtscheji derile satchile jut – der Teufel verschlinge diesen Deutschen mit Haut und Haar!“ rief endlich der alte Mübarek. „Es ist, als ob diesem Menschen alles gelingen und zum Guten ausschlagen müsse. Ich hatte ganz gewiß auf dich gerechnet. Ich will

Weitere Kostenlose Bücher