16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Anschein gab, erschrocken zu sein.
„Verstelle dich nicht! Du weißt es noch viel besser als ich. Du selbst hast sie freigelassen und dafür eine bedeutende Summe von dem Mübarek erhalten.“
Jetzt brachte er zum erstenmal die beiden Hände zugleich nach vorn. Er schlug sie zusammen und schrie:
„Was sagst du? Wessen beschuldigst du mich? Wer bist du, daß du es wagst, einen Kodscha Bascha zum Verbrecher zu stempeln? Geld hätte ich erhalten? Frei hätte ich die Gefangenen gelassen? Ich werde dich arretieren und mit der ganzen Strenge des Gesetzes gegen dich verfahren – – – nein, nein, fort, laß mich!“
Diese letzten Worte galten Halef, der ihn beim Arme ergriff und, die Peitsche erhebend, in drohendem Tone fragte:
„Soll ich dir auch noch andere Gegenden gerben? Weißt du noch immer nicht, daß wir auf diese Weise nicht mit uns verhandeln lassen? Sagst du noch ein einziges Wort, welches meinem Ohr nicht behagt, so wird meine Peitsche sich über dich ergießen, wie ein Hagel, der durch die Dächer schlägt!“
Ich wendete mich an die Leute und erzählte ihnen, was ich von der Nebatja erfahren hatte, ohne aber ihren Namen zu nennen. Ich fügte dazu, daß der Kodscha Bascha uns dann begegnet sei und die Verbrecher gewarnt habe.
Da trat einer hervor, in welchem ich einen der Beisitzer des Gerichtes erkannte und sagte:
„Effendi, was du uns hier erzählst, erfüllt mich mit Staunen. Wir haben euch sehr viel zu verdanken, denn ihr habt den größten Verbrecher entlarvt, den es jemals hier gegeben hat. Sollten sie wirklich entflohen sein, er und seine Kumpane, so muß derjenige, der ihnen dazu verholfen hat, auf das allerstrengste bestraft werden. Ich habe dich heute gesehen und gehört; ich glaube, daß du nichts sagst, was du dir nicht vorher überlegt hast. Du mußt also wirkliche Gründe haben, den Kodscha Bascha anzuklagen. Da ich nun der Anwalt bin, also der Oberste nach ihm, so bin ich verpflichtet, an seine Stelle zu treten, wenn er sich seines Amtes unwürdig gemacht hat. Du wirst dich also nun an mich zu wenden haben.“
Der Mann schien brav zu denken, wenn ich ihm auch keine große Entschiedenheit zutraute. Ohne mich lange zu besinnen antwortete ich ihm:
„Es freut mich, in dir einen Mann zu sehen, dem das Wohl der Bürger am Herzen liegt, und ich hoffe, daß du furchtlos und unparteiisch handeln wirst.“
„Das werde ich tun, doch wirst du mir die Wahrheit deiner Anschuldigung beweisen müssen.“
„Natürlich!“
„Du wirst mir also sagen, woher du weißt, daß der Kodscha Bascha mit den Flüchtlingen hier oben gewesen ist und von dem Mübarek Geld bekommen hat.“
„Nein das werde ich nicht sagen.“
„Warum nicht?“
„Ich will die Person, welche alles gehört und gesehen hat, nicht in Schaden bringen.“
„Sie wird keinen Schaden haben.“
„Erlaube, daß ich daran zweifle. Du bist ein sehr braver Mann, aber nicht alle Beamten sind so, wie du. Ich kenne euch zur Genüge. Wenn ich fort sein werde, so wird dieser gute Kodscha Bascha wieder schalten und walten nach Belieben. Jener Person, von welcher ich alles erfahren habe, würde es schlecht ergehen. Es ist also besser, ich nenne ihren Namen nicht.“
„Aber dann kannst du deine Rede nicht beweisen!“
„O doch! Das Geld, welches der Kodscha Bascha erhalten hat, wird sich in seiner Tasche oder in seinem Hause finden, und daß er hier oben war und sich mir entriß, das ist auch sehr leicht zu beweisen; denn er hat ein Stück seines Kaftans in meiner Hand gelassen.“
„Das ist nicht wahr!“ rief der Beschuldigte. „Schau her! Fehlt etwa ein Stück?“
Er deutete mit beiden Händen nach der Stelle, an welcher ich ihn gefaßt gehabt hatte. Der Kaftan war unversehrt.
„Siehst du, daß du dich irrst!“ meinte der Gerichts-Anwalt.
„Du scherzest“, erwiderte ich lachend.
„Wieso?“ fragte er erstaunt.
„Wenn ich die Klugheit deines Gesichtes mustere, so bin ich überzeugt, daß du gesehen hast, wie der Kodscha Bascha sich jetzt verraten hat.“
„Verraten?“
„Ja. Er will der oberste der Ehemänner sein und macht die Dummheiten eines Anfängers im Verbrechen. Hast du gesehen, wohin er zeigte, als er uns jetzt seinen Kaftan wies?“
„Ja freilich!“
„Nun, wohin denn?“
„Nach der oberen Brust, da links.“
„Habe ich euch aber erzählt, aus welcher Stelle ich das Stück gerissen habe?“
„Nein, Effendi.“
„Nun, ganz genau aus derselben Stelle, auf welche er gedeutet hat. Woher
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