1606 - Der Spieler und die Kartanin
Orterschirmen erkannte er eine besorgniserregende Anzahl von Raumschiffen. Die verschiedensten Typen waren darunter, die meisten hatten sich zu kleinen Pulks zusammengeschlossen. Sie bildeten das, was man in Taktikerkreisen eine „Igelformation" nannte. So waren sie auf jeden Angriff vorbereitet. „Hast du die Chips, Fremder?"
Der barsche Ton gefiel Ronald Tekener nicht besonders - doch er öffnete eine Tasche seines SERUNS und entnahm die versprochene Anzahl, zwanzig Stück seiner besten Sorte. Der Hauri akzeptierte den kleinen Schatz, ohne nachzuprüfen.
Per Hyperfunk baten sie um Landeerlaubnis. Das Schiff ging auf einem kleinen Raumhafen nieder. In Tekeners Denken wuchs die Spannung, die er seit Tagen mit sich herumtrug, zu ungeheurem Druck. Er konnte förmlich fühlen, daß er hier richtig war.
Und als er das Schiff der Hauri verlassen hatte, erkannte er am entgegengesetzten Rand des Landefeldes eine vertraute Form. Es handelte sich um einen Diskus von 310 Metern Durchmesser und 60 Metern Höhe, mit anderen Worten: um ein Fernraumschiff der Kartanin. Es war nicht von Soldaten umgeben, und es stand allein, ohne andere Schiffe derselben Art.
Also war es auch allein gekommen.
Sie war hier. Dao-Lin-H'ay! 4.
Die karge Atmosphäre an Bord der DENGAI umfing sie wie ein lange entbehrtes, vertrautes Heim. Nur der Luxus in ihrer Kabine paßte nicht ins Bild - aber sie war ja auch die ehemalige Wissende, der man Respekt entgegenbrachte.
Auf der Reise pflegte sie wenig Kontakt mit der Besatzung. Sie empfing lediglich die Protektorin Maia-Sro-Than zweimal zu einem kurzen Gespräch.
Die zweite Ausnahme bildete Tes-Tui-H'ar, weil der Bote der Hohen Frau Mei-Mei-H'ar einen brauchbaren Eindruck machte. Er hielt nicht allzusehr an der Familienehre fest, was die erste und wichtigste Voraussetzung war. Auf die Dauer kam sie nicht umhin, sich einen Mitarbeiterstab aufzubauen.
Am fünften Tag des Fluges rief sie den Parlamentär in ihre Kabine. In diesem Augenblick befand sich die DENGAI gerade im Leerraum zwischen den Galaxien, sehr viel näher an der Milchstraße als an ihrem Ziel Hangay.
Der Summton von der Tür zeigte seine Ankunft. „Tritt ein!" sagte sie laut.
Tes-Tui-H'ar betrat mit allen Zeichen von Respekt ihre Kabine. Sie wies ihm einen Stuhl zu, blieb jedoch selber stehen und schlich um ihn herum. Dabei musterte sie jede Einzelheit seines Körpers, seiner kartanischen Mimik. Sinn der Sache war es, den anderen aus der Reserve zu locken, ihn zu einer Reaktion zu provozieren. Doch das einzige, was Dao-Lin bewirkte, war ein kaum merkliches Zucken der Barthaare. Erst nach ein paar Minuten stellte sich mehr ein. Entlang dem silbrigen Streif, der den Nacken in zwei Hälften teilte, sträubte sich das Fell, die Augen schauten unnatürlich starr.
Ein kleiner Rest der Parafähigkeiten, die früher die Tränen N'jalas in ihr aktiviert hatten, war Dao-Lin-H'ay noch verblieben. Damit versuchte sie, in den anderen hineinzuhorchen, Täuschung oder Verrat zu spüren. Doch in ihm war nichts als der Zorn, durch diese Art Beschau gedemütigt zu werden. „Ich habe dich aus einem bestimmten Grund hergebeten, Tes-Tui", begann sie. „Das Kapitel Milchstraße ist für mich abgeschlossen. Von nun an werde ich dafür arbeiten, in Hangay und Ardustaar dauerhaften Frieden herbeizuführen." Ardustaar. So lautete der Name der Kartanin für ihre Heimatgalaxis. Die Terraner sagten Pinwheel, und fast hätte sie sich selbst diesen Namen angewöhnt.
Es war in der Tat höchste Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen. „Warum erzählst du mir das?" fragte der Kartanin, Er saß noch immer wie angewurzelt auf seinem Stuhl, mit gespanntem Rückgrat und starrem Blick. „Weil ich für diese Zwecke Helfer benötige. Könntest du dir vorstellen, Tes-Tui, die Dienste der Familie H'ar zu verlassen? Du würdest dann nicht mehr deiner Hohen Frau dienen, sondern allen Kartanin. Und natürlich mir."
Tes-Tui-H'ar ließ einige Momente verstreichen. Sie fühlte die rasenden Gedanken in ihm. „Nein", sagte er dann, „das kann ich mir nicht vorstellen."
Dao-Lin nickte - noch so eine Geste, die sie sich wieder abgewöhnen mußte. „Ich schätze es, wenn du mir Ehrlichkeit erweist. Aber nur mir gegenüber. Ich möchte nicht, daß Mei-Mei-H'ar etwas von diesem Gespräch erfährt. Du wirst also über alles schweigen, was in diesem Raum gesprochen wurde."
„Ja", bestätigte er. „Triff deine Entscheidung nicht jetzt. Ich gebe dir ein paar Tage
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