1607 - Totenlied der Diva
trieb sein Pferd zu einem gewaltigen Sprung an. Godwin hörte das schrille Wiehern des Tieres, das schon einem Schrei glich, und wäre er an der Stelle stehen geblieben, hätte ihn das Pferd gerammt und zu Boden geschleudert.
Aber Godwin war flink. Er wich genau im richtigen Moment aus, und auch die auf ihn niedersausende Klinge verfehlte ihn. Im Lauf ließ er sich fallen, rollte über den harten Boden und sprang aus der Bewegung hervor wieder auf die Beine.
Das schrille Wiehern sorgte dafür, dass sich der Templer umdrehte.
Randolf hatte sein Tier auf die Hinterläufe steigen lassen. In dieser Haltung wurde es herumgerissen und bekam wieder die Hacken des Ritters zu spüren.
Es stürmte vor.
Abermals sollte das Tier den Templer überrennen.
Diesmal würde Randolf wohl schlauer vorgehen, und darauf musste sich Godwin einstellen. Viel Zeit blieb ihm nicht. Er konnte auch nicht mit den bloßen Händen gegen Tier und Mensch ankämpfen, und das hatte er auch nicht vor, denn unter seiner Kleidung trug er die Pistole.
Seine Gegenwehr tat ihm wegen des Tieres leid, aber es musste sein, und so hielt er die Waffe fest mit beiden Händen, während er auf den Kopf des Pferdes zielte.
Es sah so aus, als wollte Randolf ihn ignorieren. Er verließ sich voll und ganz auf seine eigene Stärke. Diesmal allerdings hatte er seine Reithaltung verändert. Er hatte seinen Oberkörper weit nach vorn gebeugt. So gaben ihm der Kopf und der Hals des Tieres Deckung.
Er trieb sein Pferd mit heiseren Schreien voran, die von Landrus Gesang übertönt wurden, der urplötzlich wieder eingesetzt hatte.
Auch Godwin hörte ihn. Den Grund kannte er nicht. Er durfte im Moment auch nicht darüber nachdenken, denn er musste sich darauf konzentrieren, den Kopf des Pferdes zu treffen, was schwer genug war, denn dieser Schädel ruckte auf und nieder.
Viel Zeit hatte er nicht. Das Tier wuchs bereits vor ihm hoch.
Godwin drückte ab.
Er jagte gleich zwei Kugeln aus dem Magazin, um sicherzugehen.
Ob er getroffen hatte, bekam er nicht mehr mit, weil er sich mit einem gewaltigen Sprung aus dem Stand heraus in Sicherheit bringen musste, um nicht noch von einem Huf erwischt zu werden.
Er hatte Glück. Auf dem Boden fand er sich wieder. Ein stechender Schmerz tobte für einen Moment durch seine linke Hüftseite. Der ließ sich ertragen und Godwin rollte um die eigene Achse.
So schnell wie beim ersten Mal kam er nicht auf die Beine, aber er kniete sich hin und schaute dorthin, wo das schrille Wiehern aufgeklungen war.
Es war nicht zu erkennen, ob er das Tier getroffen hatte, denn es lief noch weiter.
Beim zweiten Hinsehen sah es etwas anders aus. Das Pferd hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen. Es stolperte mehr, als es ging. Sein Wiehern war jetzt mit einem Schreien zu vergleichen und tat dem Templer in der Seele weh.
Aber er hatte keinen anderen Ausweg gesehen und wartete jetzt darauf, wie es weiterging.
Randolf schaffte es noch, sein Tier hochzureißen. Es schlug mit den Vorderbeinen durch die Luft, dann sackte der schwere Körper nach vorn.
Die Hufe berührten noch den Boden, mehr war nicht möglich. Das Tier brach zusammen und sein Reiter konnte sich nicht mehr halten.
Mit einem wütenden Schrei auf den Lippen rutschte Randolf nach vorn, dann über den Kopf hinweg und landete auf dem Erdboden.
Zugleich brach auch das Pferd endgültig zusammen. Da es sich dabei leicht drehte, war Godwin in der Lage, seinen Kopf von vorn zu sehen und entdeckte, was die Kugeln angerichtet hatten.
Beide waren in den Pferdekopf geschlagen und hatten Teile von ihm zerstört. Blut sickerte aus den Wunden. Auch ein Auge war in Mitleidenschaft gezogen worden.
Das Tier tat seine letzten Zuckungen und starb.
Randolf hatte es mitbekommen. Es sah aus, als wollte er nach Luft schnappen. Jedenfalls saugte er etwas in seine Lungen, und einen Moment später sprang er wieder hoch.
Sein Schrei übertönte sogar noch den Gesang der Diva. Das Schwert hatte er nicht losgelassen. Seine Spitze zeigte nach vorn, als er sich mit schweren und immer schneller werdenden Schritten dem Templer näherte.
Für Randolf gab es nur den Hass, den er so lange Zeit aufgespart hatte.
Jetzt wollte er endlich zum Erfolg kommen.
***
Der Würfel kam Sophie Blanc wie eine zusammengeschrumpfte Kinoleinwand vor, wobei diese die gesamte Breite der Szene zeigte.
Kein Detail ging verloren.
So hatte Sophie den Weg ihres Mannes und den ersten Teil seines Kampfes gut verfolgen können. Sie
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