1607 - Totenlied der Diva
hatte sich schon innerlich auf das Ende vorbereitet, weil das Pferd gefallen war, dann aber musste sie leider erkennen, dass dieser fremde Ritter den Fall überstanden hatte und sogar noch sein Schwert in der Hand hielt.
Sie sah auch, dass sich Godwin leicht verletzt haben musste. Er glitt nicht mehr so geschmeidig in die Höhe wie nach dem ersten Ausweichen. Er knickte leicht ein, aber er besaß noch seine Waffe, und das gab Sophie Blanc eine gewisse Hoffnung.
Sie hielt den Würfel wieder mit beiden Händen fest und flüsterte: »Du schaffst es, Godwin, du schaffst es…«
***
Es war leider keine Täuschung. In diesem Zimmer hielt sich nicht mehr Sheila Conolly auf, sondern Lord Lipton in all seiner Arroganz. Das Licht umspielte ihn, als wollte es seine perfekt gestylte Gestalt durchsichtig machen. Er schaute uns an, er lächelte bösartig, und es hätte nur noch gefehlt, wenn er seinen Bowler gelüftet hätte, um uns zu begrüßen Bill Conolly, der neben mir stand, gab einen Laut von sich. Das Verschwinden seiner Frau traf ihn wie ein Hammerschlag.
Eine Waffe war nicht zu sehen. Wenn der GentlemanKiller sie mitgebracht hatte, dann war sie gut versteckt.
Bill stieß einen harten Laut aus und warf sich nach vorn, um Lipton an die Kehle zu gehen. Dabei griff er nach seiner Pistole.
Ich reagierte schneller und zerrte ihn zurück.
»So nicht, Bill, warte ab!«
Er schüttelte sich. »Verflucht, John, der hat…«
»Ich weiß, wen er hat. Jetzt dürfen wir nicht die Nerven verlieren. Halte dich zurück.«
Bill nickte als Antwort. Ich hoffte, dass er sich auch daran hielt. Wir waren nicht mehr allein geblieben, denn hinter uns standen Suko und Johnny. Ich hörte den jungen Conolly etwas flüstern und verstand auch nicht die Antwort, die Suko ihm gab. Es würde schon die richtige sein, da war ich mir sicher.
Lord Arthur Lipton hatte bisher nichts gesagt. Jetzt nickte er Bill und mir zu.
»Sehr vernünftig, wirklich. Gratuliere. Ich habe hier das Sagen, und das allein zählt.«
»Und was bedeutet das?«, fragte ich.
Lipton hob die Schultern kurz an. »Dass ich einen Austausch vorgenommen habe.«
»Wieso?«, keuchte ihn Bill an.
»Elly gegen Sheila!« Er nickte Bill zu, als wollte er ihn erneut begrüßen.
Der Reporter schnappte nach Luft. Aus seinem Mund drang ein gezischter Fluch. Es wunderte mich, dass er sich immer noch zusammenriss.
»Hast du sie umgebracht?«, schrie er.
Die Antwort bestand aus einem kalten Lachen.
»Sag uns, was du willst, Lipton!«, zischte ich.
»Es gibt sie noch!«
»Wen oder was?«
»Die andere Welt. Ihr solltet sie kennen. Es ist schon länger her, als es noch einen Namtar gab. Er ist nicht mehr da, aber die Parallelwelt besteht noch. Sie ist in Urzeiten geschaffen worden. Dort herrschen Luzifers Regeln, und es gibt auch Orte, die aussehen wie dieße Welt hier. Und doch ist alles anders. Ihr werdet es sehen, wenn ihr sie besucht.«
»Wir?«, fragte ich.
»Ja, auch du, Sinclair. Du besonders. Hat es nicht schon mal einen Austausch geben sollen? Der Schwarze Tod gegen dich. Das hat es, und ich denke, dass man dies wiederholen kann.«
»Also geht es um mich!«
»Auch.«
»Und weiter?«
»Um den Templer kümmert sich jemand anderer. Johnny Conolly ist auch noch nicht aus dem Schneider, obwohl er sich so stark gewehrt hat, und jetzt bist du an der Reihe.«
»Was bietest du als Gegenleistung?«
»Sheila!«
Ich hörte Bill stöhnen und konnte mir vorstellen, wie es in ihm aussah.
Auf seinem Gesicht glänzte der Schweiß, seine Lippen zitterten, aber er brachte kein Wort hervor.
Auch ich sagte nichts. Aber ich dachte fieberhaft über einen Ausweg nach. Wäre es nicht um Sheila gegangen, ich hätte mich dieser Gestalt gestellt. So aber konnte ich zunächst nichts tun und musste taktieren.
»Hattest du nicht deine Chance gehabt, Lipton?«
»Was meinst du?«
»Bin ich nicht schon in deiner Welt gewesen? Oder in unserer Parallelwelt?«
»Das war ein Irrtum. Du bist in der normalen Vergangenheit gewesen. In der Zeit, in der ich noch lebte und meinem Hobby nachging. Ich habe dir nur zeigen wollen, wie ich damals gelebt habe. Aber heute existiere ich auch noch und bin mächtiger denn je, Sinclair.«
»Wenn du meinst.« Er legte den Kopf schief und lächelte.
»Das Spiel mit den Zeiten ist einfach wunderbar«, sagte er, »und ich bin stolz darauf, es zu beherrschen. Das solltest du nicht vergessen. Du wirst ja nicht mal sterben, du wirst nur bei uns sein. Unsere Welt,
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