1610 01 - Der letzte Alchimist
Bahn. Ich lehnte mich zurück. »Ein halbes Pferd?«
Hätte er nicht diese seltsamen Augen und solch ein fremdartiges, rundes Gesicht gehabt, hätte ich zu meiner eigenen Zufriedenheit wohl bestätigen können, dass er ebenfalls amüsiert war.
»Nun denn!« Ich zuckte mit den Schultern. »Ja, ich habe Euch mein Wort gegeben, auch wenn ich nicht gewusst habe wozu.«
Kurz überkam mich eine angenehme Melancholie, die jedoch rasch wieder verschwand. Als ich noch ein Junge war, hatte ich jedes Mal ein großes Spektakel gemacht, wenn es um mein Wort ging; ich wäre eher gestorben, als dass ich es gebrochen hätte. Tatsächlich hatte ich aus diesem Grund mehrere unsinnige Duelle ausgefochten. Aus Melancholie wurde Bitterkeit, als ich daran dachte, wie einfach das damals gewesen war, und wie bedauerlich es ist, dass mir das Leben als Spion gezeigt hat, wie lächerlich solche Dinge sind. Leere Worte, mehr nicht. Ich bin Sullys Mann. Ich werde Monsieur Saburo sofort verraten, sollte es notwendig sein.
»Wie es aussieht, haben wir beide vor unseren Herrn versagt«, bemerkte ich leise. »Egal wie unvermeidlich es auch gewesen sein mag. Und beide arbeiten wir daran, es wieder gutzumachen.«
Tanaka Saburo nickte. »Hai. Aber dieser Mann, der den König töten will, ist nicht so wichtig wie der Auftrag, dass ich an den englischen Hof gehe.«
»Lasst mich offen zu Euch sein, Messire Samurai.« Ich schaute mich um, ob jemand uns zuhörte. »Dann werdet Ihr verstehen, warum dieser … dieser Astrologe, dieser Beschwörer … Fludd und seine Verschwörung eine armselige, dumme Angelegenheit sind, aber dennoch eine Gefahr darstellen, vielleicht für uns alle. Zunächst einmal kennt er Euren Namen und den von Mademoiselle de la Roncière …«
»Umbringen!«, unterbrach mich der Samurai.
»Das habe ich versucht«, erwiderte ich trocken und ignorierte den Schmerz in meinem Bauch bei der Erinnerung an Fludd mit einem Schwert. »Was auch immer er über das Okkulte wissen mag oder nicht, ich – ich! – war nicht in der Lage, ihn mit einem Schwert zu töten.«
Im Schatten der Kapuze meines Mantels hob Saburo die dichten schwarzen Augenbrauen, die sein Gesicht beherrschten. Er wirkte interessiert. »Er ist ein kami ?«
»› Kami ‹?«
»Ein Geist. Einen kami kann man nicht töten.«
»Ah. Nein. Es gibt aber sicherlich eine Möglichkeit, ihn zu einem Geist zu machen«, sagte ich. Ich schob die Nervosität beiseite, welche die Gedanken an Fludd hervorriefen, und winkte dem Schankburschen, mir noch Bier zu bringen; guter Wein war ein Mythos in diesem unzivilisierten Land. Als der Becher wieder gefüllt war, wandte ich mich erneut an Saburo.
»Über welches Wissen er auch immer verfügen mag, ich werde mich von diesem Pockenarzt Fludd nicht von dem abhalten lassen, was ich tun muss. Mein Herr schwebt noch immer in Gefahr. Meine Briefe sind vielleicht verloren oder nie angekommen. Oder er traut mir nicht mehr … Vielleicht glaubt er sogar, dass ich Maignan aus dem Haus geschafft und umgebracht habe! Er hat ja keinen Beweis dafür, dass sich noch immer ein Mörder in seinem Haus befindet und nur auf ein Zeichen wartet, dass er ihn umbringen soll. Es gibt Gründe, die dafür sprechen, dass dieses Zeichen in Bälde kommt. Ich beabsichtige, dies zu verhindern und seinen Feind zu Fall zu bringen.«
»Den Feind seines Herrn zu töten, ist gut.« Saburo nickte knapp. »Wegzurennen ist unehrenhaft, selbst vor einem kami .«
In jüngeren Jahren hätte ich an dieser Äußerung Anstoß genommen. Nun waren die Beulen und Wunden jedoch noch frisch, die mir Abrahams Männer beigebracht hatten, und ich fühlte mich nicht geneigt, Saburo zu widersprechen.
Trocken sagte ich: »Ich bin ›weggerannt‹, weil dieser Doktor Fludd weit mehr weiß, als er wissen sollte – woher auch immer. Und ich muss meinem Herrn alle Informationen übermitteln, die ich besitze, damit er sie nutzen kann, bevor es zu spät ist.«
Saburo blickte wieder in den Becher und steckte den Finger hinein, um das Bier zu probieren. »Ah? Dann bleibt Ihr in London?«
»Das ist die Frage. Messire Saburo, ich werde nicht weiterkommen, bevor ich keine genauen Informationen darüber habe, was daheim vor sich geht – in ›Franz‹. Ich bin von den anderen Agenten abgeschnitten, aber hier kenne ich mehr Männer in einflussreichen Positionen als in jedem anderen Land außerhalb meines eigenen. Auch wenn es unklug ist, diese Männer direkt anzusprechen.«
»Hai!« Er versuchte
Weitere Kostenlose Bücher