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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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staubige Erde, der einsame Pflaumenbaum, der dampfende Misthaufen, das alte Paddock vor dem eigentlichen Stall … leer. Es war keine Menschenseele hier. Alles war still.
    Die Neuigkeiten sind tatsächlich schon bis hierher durchgedrungen, und die Stallburschen sind losgezogen, um zu sehen, ob ihr König wirklich tot ist.
    »In Sicherheit«, murmelte ich, zog aber trotzdem die geladene Pistole aus dem Gürtel und spannte sie. Die Pistole in der einen und das Rapier in der anderen Hand ging ich zum Eingang.
    Es war kein guter Stall. Nur wenige Leute hätten ihre Tiere in diesem Schuppen untergebracht – viel mehr war es nicht –, in dem es noch nicht einmal richtige Ständer gab; ganz abgesehen davon, dass hier auch nur unzulänglich gemistet wurde. Das war auch der Grund dafür, warum ich meine Pferde hier untergestellt hatte: Es war nicht nur billig, hier blieb man auch von zu viel Verkehr verschont. Schwere Balken stützten das Dach, und auf den Regalen waren sorglos die verschiedensten Dinge verstaut. Auf dem Boden am Eingang sah ich die üblichen Strohhaufen, Weidenkörbe und Forken. Gerade so konnte ich in dem trüben Licht das Schimmern einer Pferdeflanke vor dem großen Trog am anderen Ende des Stalles sehen sowie den mit den Ohren zuckenden Esel, den man an ein Gitter gebunden hatte.
    Wäre da nicht das Fehlen der fluchenden Stallburschen gewesen, es hätte ein ganz normaler Frühlingstag sein können. Fliegen summten um den Misthaufen herum, als ich daran vorüberkam. Hinter den hohen Hofmauern war nichts vom Lärm der Straße zu hören. Ich roch nichts außer Pferden, Matsch, Mist und Heu – den Blutgeruch bildete ich mir wohl nur ein.
    Wie konnte das nur funktionieren?, kochte ich. Wie konnte ein unbeholfener, junger Depp wie dieser Schulmeister Erfolg haben, wo zweiundsechzig Männer gescheitert sind? Wie?
    Purer Zufall. Ein Mann blickt nach links, statt nach rechts. Irgendjemand dreht sich um, um etwas zu sagen. Eine Wache ist einen Augenblick lang unaufmerksam. Selbst zusammengenommen ist all das eigentlich nichts. Zufall eben.
    Obwohl, sinnierte ich ironisch, als ich aus dem strahlenden Sonnenlicht ins Zwielicht des Stalles trat, in diesem Fall hat ein Mann sein Bestes getan, um diesen Zufall möglich zu machen, um das Schicksal auf seiner Seite zu haben. Valentin Raoul Rochefort hat diese ›zufällige‹ Szenerie geschaffen – mon Dieu !
    Die stichelhaarige Stute rührte sich weiter hinten beim Futtertrog, und der andalusische Falbe trat mit den großen, runden Hufen. Beide waren ein wenig rastlos und leicht zu erregen, aber das erwarte ich auch von einem Pferd.
    Am Rand meines Blickfeldes nahm ich ein Licht wahr.
    Es war nicht mehr als ein Sonnenstrahl vom Hof, der sich auf einem Halfter spiegelte – und mein Herz schlug augenblicklich schneller. Ich verlagerte mein Gewicht nach hinten, wich einen ganzen Schritt zurück und hob die Pistole. Die beiden Tiere waren nicht wegen mir so aufgeregt, sondern weil jemand hier drinnen war. Das Funkeln stammte nicht von einem Halfter, sondern von einer Stahl…
    Die Klinge verursachte ein zischendes Geräusch, als sie die Luft vor meinen Augen zerteilte.
    Über meinen Arm hinweg zielte ich auf die Silhouette des Mannes. Er wird sich hinter etwas versteckt haben, hinter einer Leiter, einem Ballen Heu … Oder er steht zwischen den Flechtkörben, die an den Wänden hängen. Aus Gewohnheit hielt ich den Atem an, als ich den Abzug drückte.
    Das Pistolenschloss surrte und klapperte.
    Für den Bruchteil einer Sekunde war ich sogar amüsiert. Ich hob das Rapier zum Schutz und erkannte, was geschehen war. Der Zündstein war zersplittert, als das Schloss nach vorn geschnellt war.
    Nun war der Mechanismus mit Steinsplittern verstopft. Kein Funke wurde geschlagen, und damit war das Pulver in der Pistole absolut nutzlos.
    »Wie in Gottes Namen …« seid Ihr vor mir hierher gekommen?, hatte ich wissen wollen. Ich hielt inne. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Schatten.
    Ich hatte zu weit nach oben geschaut. Das war weder einer von d'Epernons Männern noch ein Mann der Königin … und auch kein Mann des Herzogs, wie ich schon fast befürchtet hatte. Eine Gestalt zwischen Mann und Jüngling glitt geschmeidig über den mit Stroh eingestreuten Boden.
    »So eilig? Diesmal ist Euch wohl jemand auf den Fersen«, sagte eine träge, mir nur allzu vertraute Stimme.
    Wenn ich mich überhaupt von jemandem fangen lassen würde, dann bestimmt nicht von ihm …!
    Wut und

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