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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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gestochen hatte und dann die Kutsche durch die Palasttore gerumpelt war.
    Ich stand in der warmen Frühlingssonne, und rechts und links neben mir begannen bärtige Männer offen zu weinen. Schweigen breitete sich bis an den Rand der Menge aus, wo die Menschen nicht nahe genug herankommen konnten, um die Neuigkeit schon zu erfahren.
    Heinrich ist tot, dachte ich, als ich über die Köpfe hinweg durchs Geländer blickte und sah, wie Höflinge sich hinter den Wachen am Palasttor sammelten.
    Heinrich ist tot.
    Ich schob mich wieder nach hinten, um andere nach vorn zu lassen. Was ich empfand – so muss ich beschämt gestehen –, war fast so etwas wie Erleichterung.
    Jetzt … Jetzt ist Sully vielleicht in Sicherheit.
    Heinrich war tot. Zwei verdächtige Morde an einem Tag … Nein, das wäre viel zu auffällig, als dass die Medici-Hexe das riskieren würde!
    Ich knirschte mit den Zähnen. Verlässlich war diese Schlussfolgerung nicht. Ich brauchte mehr Informationen. Mein Instinkt sagte mir, ich solle so rasch wie möglich zum Arsenal gehen, doch mein Verstand warnte mich: Selbst in diesem Chaos werden die Männer der Medici überall dort auf mich warten, wo sie mich vermuten …
    Die Königin hatte einen Spion in Sullys Haushalt und würde den Mann dort auch lassen, und wenn der Herzog wieder zu einer Bedrohung für sie werden würde, wäre er in großer Gefahr …
    Nein. Der König, sein Freund, war tot. Die Königin musste Sully jetzt nicht mehr töten, um ihn loszuwerden. Der Tod des Königs änderte alles.
    Wenn ich verhaftet wurde … Dann würde man auch Sully des Mordes am König bezichtigen.
    Brach Ravaillac unter der Folter, war die Beteiligung Messire Rocheforts bewiesen, und das wiederum würde auf Sully hindeuten.
    Zeit. Es kann nicht ungeschehen gemacht werden. Ein Mann ist tot. Es ist geschehen.
    Ich stieß einen lauten Fluch aus und verschwand unbemerkt in der Menge. Ich fluchte und gestikulierte und bemerkte erst dann, dass ich noch immer das blutige Rapier in den Händen hielt.
    Ich kämpfte mich zum Rand der Menge durch, stemmte mich gegen den steten Strom der Menschen und erreichte schließlich keuchend und zerzaust eine schmale Gasse. Ich wagte einen Blick zurück zu den Dächern des Palastes. Ich konnte nicht durch ihn hindurch zum Fluss und zum Arsenal blicken. Ich konnte nur vermuten, dass die Nachricht den Herzog inzwischen erreicht hatte.
    Ich konnte dem Herzog jetzt nicht mehr helfen; ich konnte ihm nur schaden. Ich musste verschwinden, damit Sully guten Gewissens behaupten konnte, ich hätte ohne sein Wissen gehandelt. Ich musste aus der Stadt, fort aus Frankreich! Dann würde ich ihm eine Nachricht schicken … einen Beweis für ihre Schuld …
    Ich habe den Duc de Sully gerettet, dachte ich plötzlich kalt. Aber wie soll ich ihm erklären, dass ich ihn gerettet habe, indem ich seinen Freund, den König, getötet habe?

Rochefort: Memoiren
Drei
    Ein Mann, der in unvernünftigen Angelegenheiten unterwegs ist, sollte ein vernünftiges Pferd haben, eines, das dem zufälligen Beobachter nicht auffällt. Ich hielt mir zu jener Zeit zwei Pferde: ein stichelhaariges von sieben Jahren, das man in der Stadt als das des ›Spaniers‹ kannte, und einen Falben, der so unauffällig war, dass die Menschen ihn trotz seines geschwungenen Halses noch nicht einmal als reinrassigen Andalusier erkannten. Letzteres sollte ich nehmen, um damit Paris zu verlassen, dachte ich und schritt über die leere Straße in Richtung Stall. Mein eigener Atem war alles, was ich hörte.
    Ich mag es nicht, ein Schwert blutig wegzustecken, sowohl aus Gründen der Sauberkeit als auch wegen der Flecken, die gegen mich sprechen könnten. Das Einzige, was ich tun konnte, war, mich mit dem Rücken gegen die Mauer des Konvents zu lehnen, mich aufgeregt umzuschauen und die fast schon trockene Klinge mit dem Taschentuch flüchtig abzuwischen. Das Tuch warf ich dann in den Rinnstein und trat es tief in den dicken schwarzen Schlamm, der so typisch für Paris ist.
    Grimmig dachte ich: Sollte Gabriel wieder zurückgekehrt sein, werde ich ihn erschießen müssen, um ihn vor sich selbst zu retten. Das wäre immer noch besser als das, was sie ihm antun würden, weil er mit mir in Verbindung steht – mit mir, dem man eine Mitschuld am Tode Heinrichs gibt.
    Schließlich duckte ich mich durch die Tür, die auf den Hof des Stalls führte. Er sah genauso bäuerlich aus wie alle Ställe in Paris. Erst beim zweiten Blick fiel es mir auf: die

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