1616 - Mörderengel
Der Anblick machte mir zu schaffen. Ich spürte trotz des Wassers etwas von der eisigen Kälte, die das Gesicht ausströmte. Da gab es nichts Menschliches. Ich wurde hiermit dem Urbösen konfrontiert, das bereits zu Beginn der Zeiten entstanden war und sich bis heute gehalten hatte.
Ich wusste nicht, was Luzifer von mir wollte. Ich jedenfalls wollte nichts mehr von ihm. Ich wollte auch keine Sekunde länger an diesem verdammten Teich bleiben, fasste nach meinem Kreuz, spürte die Kälte und wandte mich ab.
Stolpernd und leicht angeschlagen ging ich zum Rover zurück und lehnte mich dagegen.
In meinem Innern tobte etwas, was ich als die Hölle des Verlierers ansah.
Ich wollte nicht mehr länger bleiben, aber das Verschwinden sah ich nicht als eine Flucht an. Ich wollte nur in eine bessere Position gelangen.
Die Bewegung sah schon wütend aus, als ich die Tür auf riss und mich auf den Sitz warf und daran dachte, erst einmal meine Gedanken zu ordnen.
Nein, ich wollte nicht aufgeben, aber ich musste mir eine andere Taktik zurechtlegen. Vor Luzifer die Flucht zu ergreifen, nein, das kam mir nicht in den Sinn.
Es war in dieser Nacht nicht eben warm. Trotzdem stand mir der Schweiß auf der Stirn. Zudem klopfte mein Herz auch ungewöhnlich schnell. Ich war noch immer von der Begegnung mit dem absolut Bösen gezeichnet.
Meine Ahnung hatte mich nicht getrogen. Der Fall ging weiter.
Oder war ich an Luzifers langer Leine wieder an diesen Ort geführt worden? So genau wusste ich es nicht. Jedenfalls hockte ich jetzt hier und konnte über mein Schicksal nachdenken.
Das Kreuz war in diesen Augenblicken kein Helfer. In gewissen Situationen kam es gegen die Stärke des Urbösen nicht an, das wusste ich, aber mir war auch klar, dass Luzifer trotz allem nicht allmächtig war.
Ich fragte mich nur, warum er mich hergelockt hatte. Nur um sich zu zeigen?
Das hätte ein Grund sein können. Dem allerdings traute ich nicht so recht. Dahinter konnte noch etwas anderes stecken, und ich war entschlossen, es herauszufinden.
Ich setzte mich so hin, dass ich durch die Windschutzscheibe des Rovers den Teich sah.
Er war wieder normal geworden.
Das dunkle Wasser, das Wellenmuster auf der Oberfläche. Keine kalte blaue Farbe, kein Gesicht des Bösen. Mein Blick fiel auf einen Teich, der harmlos aussah.
War er das wirklich?
Ich hatte mich wieder gefasst und fühlte mich stark genug, um mich neuen Aufgaben zu stellen. Deshalb blieb ich keine Sekunde länger im Auto sitzen.
Zwei Sekunden später war ich wieder ausgestiegen, drückte die Tür zu und wartete zunächst ab, ob sich noch etwas tun würde.
Das war nicht der Fall. Es gab keinen Angriff. Weder körperlich noch akustisch. Die normale nächtliche Ruhe umgab mich, und jetzt vernahm ich auch das leise Plätschern der Wellen, die am Ufer ausliefen.
Erst der Horror, dann die Ruhe, so lautete das Spiel, das ich weiterhin mitmachte und mich abermals sehr dicht an das Teichufer stellte.
Ich musste davon ausgehen, dass der Teich von Luzif er manipuliert werden konnte und es jetzt möglicherweise noch war. Zu sehen war davon nichts, zumindest nicht beim ersten Blick.
Dann fiel mir noch etwas auf. In der Tiefe, möglicherweise sogar in der Nähe des Grundes entdeckte ich etwas. Wenn mich nicht alles täuschte, war es die Kontur eines Menschen, wobei ich leichte Zweifel bekam, als ich mich länger darauf konzentrierte, denn da fiel mir wieder die andere Farbe auf. Blau…
***
Ja, zum Teufel, auch hier sah ich den blauen Schein. Nur nicht so intensiv, aber er war vorhanden und verteilte sich möglicherweise auf dem Grund.
Wenn es nicht Luzifer war, wer war es dann?
Die Gedanken jagten durch meinen Kopf. Es war ein wildes Hin und Her, und plötzlich erinnerte ich mich daran, was mir Luzifer gesagt hatte.
Diese Sektenmitglieder mussten auf ihren Helden oder Anführer, wie Luzifer mir sagte, gewartet haben. Mehr wusste ich nicht, aber ich schaute in die Tiefe und dachte daran, dass dieses Blau die einzige Erklärung für diese Bemerkung war.
Die Tiefe war nicht zu schätzen. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, darüber nachzudenken, und nachdem einige Minuten vergangen waren und sich nichts getan hatte, zog ich mich wieder zurück.
Das geschah zwar mit einem ziemlich unguten Gefühl im Magen, aber ich wollte wieder zurück in den Ort fahren und mit Suko über dieses Phänomen reden, denn auch er musste wissen, dass noch etwas auf uns zukommen konnte.
Um die Rückfahrt
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