1618 - Der brennende Himmel
sehen willst!«
Noch zögerte er. Wahrscheinlich überlegte er, ob ich einen Bluff gestartet hatte. Als er mein leicht provozierendes Lächeln sah, da drehte er sich um.
Meine Anspannung wuchs. Was würde geschehen? Wie würde er auf die Feuerwolke reagieren?
Er tat nichts.
Dafür die Wolke oder der beziehungsweise das, was in ihr steckte. Denn aus ihr hörten wir alle die dröhnende Stimme.
»Willst du wirklich das übernehmen, was seit Urzeiten allein mir zusteht? Die Macht über das Feuer?«
In diesem Moment war mir klar, wer da eingegriffen hatte.
Nicht an der Stimme hatte ich ihn erkannt, sondern daran, was er gesagt hatte.
Es gab nur einen, der sich so ausdrücken konnte.
Und das war Uriel, der Flammenengel!
Kaum war mir bewusst geworden, wer da als Helfer an unserer Seite erschienen war, da glühte der unterste Buchstabe am Ende meines Kreuzes auf. Es war das U für Uriel, denn er gehörte wie die drei anderen Erzengel zu meinen Beschützern.
Es traf zu, dass er der Herr des Feuers war, und er war nicht bereit, sich die Macht von einer anderen Kreatur nehmen zu lassen. Auch wenn sie unter Luzifers Schutz stand.
Um zu beweisen, wie sehr er sich dem Feuer verbunden fühlte, war er in den Flammen erschienen. Nichts konnte seine Gestalt zerstören. Was Menschen getötet hätte, das war für ihn der Balsam des Lebens.
Es war eine Situation, in der sogar ich den Atem anhielt. In den nächsten Sekunden würde sich entscheiden, wer hier siegte.
Ich war für Matthias nicht mehr interessant. Er blieb noch für einen Moment so stehen und schien nachdenken zu wollen, dann duckte er sich zusammen und fuhr mit einer schnellen Bewegung herum. Jetzt schaute er ebenso wie wir direkt in die Flammenwolke hinein. Was tat er?
Würde er kämpfen? Würde er versuchen, mich trotz allem zu töten?
Nein, danach sah es nicht aus.
Matthias riss seinen Mund weit auf und fing an zu heulen. Es war ein schreckliches Geräusch, beinahe ein tierischer Laut, in dem seine Wut und sein ganzer Hass steckten.
Wahrscheinlich sah er ein, dass er trotz der Hilfe aus der Hölle den Kürzeren ziehen würde. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht, und er schlug wild mit den Armen um sich, während sich die Wolke ihm immer mehr näherte.
Auch Matthias hielt sich für den Herrn des Feuers. Nur war es das Feuer der Hölle, und da gab es einen entscheidenden Unterschied. Uriels Flammen waren andere, waren die reinigenden, die man auch dem Fegefeuer zusprach.
Urplötzlich rannte Matthias los. Mich überraschte er damit, und wahrscheinlich auch Uriel, denn er hetzte an ihm vorbei, um sein neues Ziel zu finden.
Man konnte auch von einem neuen alten Ziel sprechen, denn es war die noch immer brennende Kirche. Aus ihr war er gekommen, in sie flüchtete er wieder hinein.
Niemand hielt ihn auf. Niemand wollte ihn auch aufhalten. Auch Uriel ließ ihn laufen, und weder Suko noch ich dachten an eine Verfolgung.
Dafür erlebten wir, wie er sich in das Feuer warf wie ein Schwimmer ins Wasser. Es war der Sprung zurück in die Macht der Hölle oder des Bösen, denn dort gehörte er hin.
Wo die Flammen noch am höchsten loderten, blieb er stehen und riss beide Hände hoch. Plötzlich begann sich das Feuer zu bewegen. Die langen Zungen huschten auf ihn zu, und wir konnten sehen, wie sein Körper zerschmolz und wieder zu dem wurde, was Bill Conolly und ich auf den Fotos gesehen hatten.
Als Geistwesen zog er sich in Sphären zurück, die für uns nicht erreichbar waren. Und das Feuer?
Seine Flammen sackten zusammen, als hätte der Erdboden die Kraft, sie in sich hineinzusaugen. Nichts brannte mehr, denn auch die Wolke mit unserem Helfer hatte sich aufgelöst.
Zurück aber blieb ein zerstörtes Gotteshaus…
***
Suko und ich lernten den Pfarrer kennen, der durch das Erlebte völlig fertig war. Er war nicht in der Lage zu sprechen und schüttelte nur immer wieder den Kopf.
Auch Bill hatte seine Sprache noch nicht wiedergefunden, was bei ihm höchst selten war.
Schließlich raffte er sich auf und wandte sich an mich.
»Wem muss ich denn jetzt besonders dankbar sein? Euch oder der Gestalt in der Flammenwolke?«
»Ich habe keine Ahnung, Bill. Am besten keinem von beiden.«
»Wieso?«
»Danke einfach dem Schicksal. Ich glaube, das trifft am ehesten zu…«
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 1575 »Luzifers Angriff«
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