1621 - Die Verdammten
zeigen. Zumindest hatte ich Zeit gewonnen, denn die Gestalt vor mir sah aus, als wüsste sie nicht, was sie unternehmen sollte.
Ich wollte meine Drohung verstärken, als ich schräg hinter mir einen leisen Schrei hörte. Ciaire Gants Sohn hatte ihn ausgestoßen.
Ich drehte mich um.
Der Junge hatte nicht grundlos geschrien. Der Verdammte hielt seine Haare gepackt und hatte seinen Kopf nach hinten gezogen.
»Willst du jetzt noch schießen?«, fragte mich der Nephilim.
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, aber gib den Jungen frei.«
Er zögerte einen Moment, lachte böse und stieß den Jungen so hart von sich, dass er gegen die Tisch prallte und beinahe mit dem Gesicht auf der Tischplatte gelandet wäre.
Ich ließ meine Waffe zu Boden fallen und schob sie mit dem Fuß unter den Tisch.
Die beiden Verdammten waren zufrieden. Sie nickten sich zu.
Waren Sie jetzt bereit, uns zu töten? Ich würde mich wehren, ich würde die Gants verteidigen, und ich sah eigentlich nur die Möglichkeit, die Formel zu rufen, um das Kreuz zu aktivieren.
Ich hatte die Lippen schon spaltbreit geöffnet, als etwas anderes passierte.
Das auf dem Tisch liegende Kreuz hatte die Verdammten fasziniert. Sie mussten in ihrer Hölle darüber informiert worden sein und man hatte ihnen wohl gesagt, dass sie sich nicht davor zu fürchten brauchten. Das hatten sie jetzt begriffen, denn das Kreuz lag schon eine ganze Weile auf dem Tisch und hatte sie nicht angegriffen.
Der Verdammte beugte sich über die Platte, streckte seinen rechten Arm aus und griff einen Moment später zu.
Ich konnte kaum glauben, was meinen Augen geboten wurde. Hier geschah etwas Unglaubliches. Normalerweise vergingen die Geschöpfe der Finsternis, wenn sie mit meinem Talisman in Berührung kamen. Hier aber waren die Gesetze auf den Kopf gestellt, und damit musste ich erst mal fertig werden.
Tatsächlich, der Verdammte hob das Kreuz an, ohne dass etwas mit ihm geschah. Als wäre er ein völlig normaler Mensch, der mit einer dämonischen Welt nichts zu tun hatte. Er lachte dabei.
Dann zog er seine Hand zurück und brachte sie in die Nähe seines Gesichts.
Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte, und wollte es irgendwie auch nicht. Ich ging nur davon aus, dass mein Kreuz diese Urkräfte nicht beeinflussen konnte.
Einen Vorteil hatte die Szene. Mutter und Sohn waren für die Verdammten im Moment nicht mehr interessant. Jetzt stand das Kreuz an erster Stelle und seine genaue Betrachtung.
Ich war in der Lage, ihre Blicke zu verfolgen. Bisher hatten ihre Augen so gut wie kein Gefühl gezeigt. Sie waren wie kalte Steine gewesen, doch das änderte sich.
Dabei wurde auch ich mit einbezogen, denn der Verdammte sprach mich an.
»Warum soll es so gefährlich sein?«
»Das ist leicht zu sagen. Es ist geschaffen worden, um sich dem Bösen in der Welt entgegenzustellen. Der Prophet Hesekiel hat es geschaffen. In seinen Wachträumen wurde er angewiesen, wie er es genau fertigstellen sollte. Zu seiner Zeit hatte das Kreuz noch keine Bedeutung. Erst zu Zeiten der Römer änderte sich dies. Aber Hesekiel hat in die Zukunft schauen können und erfahren, dass dieses Kreuz einmal das Zeichen des Sieges über den Tod sein würde.«
Der Verdammte nahm die Erklärung wortlos hin. Wahrscheinlich musste er erst über meine Worte nachdenken, dann lachte er auf.
»Was ist so lustig?«, fragte ich.
»Ich spüre nichts. Ich merke nichts von dem, was man uns mit auf den Weg gegeben hat.«
»Und das wäre?«
»Dass wir auf einen Feind treffen könnten, der ein besonderes Kreuz besitzt. Damit warst du gemeint. Aber diesmal hat sich die Hölle geirrt. Ich spüre keine Gefahr. Nicht die geringste.« Es sah aus, als wollte er meinen Talisman von sich schleudern, überlegte es sich aber anders. Er stellte mir eine Frage, um seine letzte Unsicherheit loszuwerden.
»Was sind das für Buchstaben an den Seiten?«
Jetzt war ich an der Reihe, spöttisch zu sein. »Ach, hat man dir das nicht gesagt?«
»Nein.«
»Du kannst die Antwort gern bekommen. Es sind besondere Buchstaben. Schau dir den obersten an. Dort siehst du ein M.«
»Das stimmt. Und was bedeutet er?«
»Das M steht für einen Namen. Für Michael!«
Plötzlich war es mit seiner Lockerheit vorbei. Er zuckte zusammen und gab sich leicht irritiert.
Ich sprach weiter, denn ich ahnte, dass wir an einen bestimmten Punkt gelangt waren.
»Das G steht für Gabriel. Das R für Raphael und das U für Uriel. Es sind vier Erzengel,
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