1623 - Der Zombie-Rabe
möglicherweise die Gondel zerstören.
Das alles wirbelte durch meinen Kopf, während ich überlegte, wie wir es schaffen konnten, uns gegen einen Angriff zu wappnen. Bisher war mir nichts Vernünftiges eingefallen.
Ich bekam keine Gelegenheit, weiter nachzudenken. Jetzt hatten auch die anderen Mitfahrer gesehen, was sich unter uns tat.
Sie reagierten unterschiedlich. Harry Stahl fluchte und knurrte dabei wie ein wütendes Tier.
Mario Montini und Urs Hoffmann verhielten sich recht still. Wir hörten nur ihren heftigen Atem. Einen Kommentar gaben sie nicht ab. Dafür starrten sie nach unten und sahen, wie sich der riesige Rabe mit trägen Bewegungen immer höher schob, als könnte er sich alle Zeit der Welt lassen.
Das traf auch irgendwie zu, denn wir waren nicht in der Lage, aus eigener Kraft die Richtung zu ändern.
»Okay!«, sagte Suko. »Was kann er tun? Was können wir tun?«
Ich gab die Antwort. »Es wird für ihn kein Problem sein, die Gondel zum Absturz zu bringen.«
»Das glaube ich auch. Dann müssen wir ihn eben davon abhalten.«
»Und wie?«, fragte Harry.
Ich hob die Schultern. »Durch Schüsse aus unseren Waffen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
Nach dieser Antwort sah ich in die Gesichter meiner Freunde. Sie machten nicht den Eindruck, als wollten sie meinen Plan ablehnen.
»Das werden wir wohl tun müssen«, sagte Suko. »Und auf wen sollen wir zielen?«
»Auch auf Fabricius«, sagte Harry. »Ich gehe davon aus, dass er und der Rabe so etwas wie eine Einheit bilden. Wenn wir ihn treffen, könnte das den Vogel von einer Attacke abhalten.«
»Oder es macht ihn erst richtig wütend«, meinte Suko.
Zu einem Ergebnis kamen wir nicht. Wir konnten es drehen und wenden, wie wir wollten, aber es musste eine Entscheidung getroffen werden, denn der Monstervogel näherte sich immer mehr unserer Gondel.
Auch an den schmalen Seiten gab es Fenster. Ich zog das vor uns liegende auf. Der Wind verstärkte sich, sodass wir etwas zurücktraten.
Suko legte seinen Kopf zurück, er visierte dabei die Decke der Gondel an, an der sich die Ausstiegsklappe befand. An ihr hing eine Leiter, die gelöst werden musste, damit man in die Höhe klettern konnte.
Ich hatte den Blick meines Freundes gesehen und fragte: »Willst du wirklich da hoch?«
»Ja, warum nicht? Dort habe ich auf alle Fälle mehr Bewegungsfreiheit.«
»Aber es gibt auch eine Öffnung mehr für unseren Freund.«
»Entscheidet euch. Der Vogel kommt näher!«, warnte uns Harry.
»Wir lassen das Dach geschlossen.«
»Okay. Ist vielleicht besser so, John.«
In den letzten Sekunden hatte es für uns nur den Riesenvogel gegeben.
Aber auch die anderen drei Raben waren noch da. Sie flogen jetzt neben ihm her, weil sie sich offenbar in seiner Nähe sicherer fühlten.
Wir zogen unsere Waffen.
Ich warf noch einen Blick zurück. Urs Hoff mann und Mario Montini hatten sich auf den Boden gesetzt, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten.
»Bleibt in dieser Position«, riet ich.
»Werden wir es denn schaffen, Herr Sinclair?«
Ich gab Urs Hoff mann eine Antwort, indem ich nur die Schultern anhob.
Mehr konnte ich nicht tun.
»Achtung, John! Er kommt näher! Ich denke, dass wir bald handeln sollten.«
Ein Blick genügte mir, um Suko recht zu geben. Das Monstertier war dabei, unsere Höhe zu erreichen.
Die Bäume wuchsen jetzt dicht unter uns. Man hätte sie fast greifen können, und deshalb war die Schussweite auch nicht schlecht.
Suko wollte zuerst feuern.
Wieder stand er bereit, er war die Ruhe selbst. So kannte ich ihn. Auch in extremen Situationen hielt sich mein Freund unter Kontrolle.
Es würde nur noch Sekunden dauern, bis Suko abdrückte. In dieser Zeitspanne sah ich alles noch mal überdeutlich. Der große Vogel, das dunkle, schimmernde Gefieder, der lange, leicht gebogene Schnabel und die kalten Augen.
Auch den blinden Menschen, der auf seinem Rücken hockte.
Fabricius hatte alles in die Wege geleitet. Für mich war es ein Rätsel, wie er das geschafft hatte.
Er fühlte sich auf dem Vogelrücken offensichtlich sehr sicher. Stur war sein Gesicht nach vorn gerichtet, als ob er die Gondel und uns nicht aus dem Blick lassen wollte. Wir waren seine Feinde.
»Jetzt!«, flüsterte Suko und schoss. Es war bisher alles okay gewesen, doch genau in diesem Augenblick spielte uns das Schicksal einen Streich. Aus welchen Gründen die Gondel ruckte, war mir unbekannt.
Jedenfalls tat sie es. Leider in der falschen Sekunde.
Suko, Harry
Weitere Kostenlose Bücher