1625 - ... dann holt dich der Teufel
Doch darüber musste sich Bill Conolly keine Gedanken machen, denn er war etabliert.
Und jetzt war der Professor tot und begraben. Über neunzig Jahre alt war er geworden. Vor seinem Computer sitzend hatte er einen Herzschlag erlitten. Keiner seiner Schüler würde ihn vergessen, und so waren auch einige zu seiner Beerdigung erschienen.
Mit ihnen hatte Bill noch zusammengesessen. Der Flieger war weg, aber nicht der Zug, und so hatte sich Bill dafür entschieden, in der Nacht zu reisen und sie nicht in einem Hotelzimmer zu verbringen. Seine Frau Sheila wusste Bescheid. Begeistert gewesen war sie nicht, aber man konnte ja mal versacken.
Bill war zum Bahnhof gefahren und hatte sogar noch Zeit, denn der Zug war noch nicht eingelaufen. Mit etwas Ess-und Trinkbarem hatte er sich eingedeckt. Die Sandwichs hatten nicht nur frisch ausgesehen, sie waren es auch, denn die Verkäuferin hatte sie vor den Augen des Reporters belegt.
Bill wartete auf den Zug. Er stand in der Nähe einer Säule. Ein leichter Wind wehte über den Bahnsteig, der durch ein hohes Dach geschützt war.
Zwei Minuten musste er noch warten, dann würde der Zug einrollen. Er kam sogar noch früher. Eine Platzkarte hatte sich Bill nicht besorgt. Er ging davon aus, dass er sich in der ersten Klasse die Plätze aussuchen konnte.
So war es dann auch. Schon von außen schaute er durch die Scheiben und sah, dass die meisten Abteile leer waren. Die Reisegäste stufte er als normal ein, bis vielleicht auf die hellblonde Frau im Ledermantel, die so eine frappierende Ähnlichkeit mit der verstorbenen Marilyn Monroe aufwies. Sie hätte ihre Zwillingsschwester sein können.
Auch sie stieg ein. Sogar noch vor dem Reporter, und Bill konnte ihren Hüftschwung bewundern. Sie suchte sich ebenfalls einen Platz in der ersten Klasse, und es wäre sicherlich nett gewesen, mit ihr zu plaudern, aber Bill wollte seine Ruhe haben.
Zudem fühlte er sich müde. Es lag daran, dass nach der Beerdigung noch einiges getrunken worden war. Da hatte sich Bill einfach nicht drücken können.
Ruhe haben, auch schlafen. Er fand ein leeres Abteil. Es war kein Kunststück, denn die erste Klasse war kaum belegt.
Bill streckte die Beine aus. Essen wollte er später. Er hatte Sheila versprochen, sie noch mal anzurufen, und dieses Versprechen hielt er ein.
»Ah, du bist noch auf?«
»Klar. Was denkst du denn?«
Bill grinste. »Hätte ja sein können, dass du dir einen ruhigen Abend im Bett machen willst.«
»Darauf kann ich verzichten.«
»Okay, ich wollte dir nur sagen, dass ich jetzt im Zug sitze, der soeben abfährt. Habe ein Abteil für mich und hoffe, dass es auch so bleibt bis London.«
»Soll ich dich abholen?«
»Nein, Sheila, ich nehme mir ein Taxi.«
»Dann gute Fahrt.«
»Und dir eine gute Nacht.«
»Danke, die werde ich haben.«
Das Gespräch war beendet. Bill ließ sein Handy wieder verschwinden.
Aus der Seitentasche seiner Jacke holte er die eingepackte dreieckige Schnitte hervor, die mit Putenfleisch belegt waren und zu der die Verkäuferin noch ein kleines Tütchen mit einer weißen Soße gelegt hatte.
Eine Dose Bier hatte sich Bill ebenfalls gekauft. Sie war noch gut kalt, als er sie in der Hand hielt und den Verschluss aufriss. Etwas Schaum quoll hervor, den Bill rasch wegtrank, dann biss er in das weiche Brot und wurde abgelenkt, als er eine Bewegung hinter dem Glas der Tür sah.
Es war die Frau mit den blonden Haaren, die dort stehen geblieben war.
Bill rechnete damit, dass sie die Tür öffnete, um das Abteil zu betreten.
Das tat sie nicht. Es sah zwar so aus, aber ein etwas längerer Blick in das Abteil reichte ihr aus. Sie öffnete die Tür nicht. Sie ließ den Griff los und ging weiter.
Bill war beruhigt. Auch wenn sie toll aussah, er wollte seine Ruhe haben.
So aß und trank er und hoffte, irgendwann mal die Augen schließen zu können. Er war lange nicht mehr mit dem Zug gefahren, und deshalb genoss er die Reise jetzt.
Mit bösen Überraschungen rechnete er nicht. Aber er musste auch zugeben, dass sich schon mancher Mensch verrechnet hatte. Nur wollte Bill daran nicht denken…
***
Mike Short war von dem Erscheinen der Blonden völlig überrascht. Er bekam große Augen und wusste nicht, was er denken, geschweige denn sagen sollte.
Kam sie wirklich? Oder war das nur ein Traum?
Nein, die Blonde hatte das Abteil betreten und zog die Tür wieder hinter sich zu.
»Kann ich mich hier niederlassen, Mister?«, fragte sie.
Mike konnte nicht sprechen.
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