1628 - Die Tür zum Jenseits
zwei.«
»Gut.«
»Aber tot ist er nicht - oder?«
»Nein, so fest habe ich nicht zugeschlagen. Ich habe auch nur seinen Nacken erwischt.«
»Sehr gut.«
Ich hielt den Atem an und konzentrierte mich auf das, was ich zu hören bekam. Stimmen waren es nicht mehr. Die beiden Gestalten schoben sich näher an mich heran. Ich hörte das Schleifen ihrer Schritte, ich spürte ihre Nähe, denn mein Kreuz gab wieder seine Warnung ab.
Beide hatten sich aufgestellt. Eine stand links von mir, die andere an der rechten Seite. Das war die Gestalt im roten Kleid, denn der Saum zitterte dicht von meinem Gesicht.
Es war Isabel, die sich zuerst bückte. Etwas strich über meinen Kopf hinweg und bewegte sich auf meine rechte Schulter zu. Es war eine Hand, die auf der Schulter liegen blieb.
»Was ist los, Isabel? Warum drehst du ihn nicht um?«
»Ich weiß nicht.«
»Wieso?«
Ihre nächste Antwort klang noch unsicherer. »Es ist alles so komisch, wenn ich ehrlich sein soll. Er hat etwas an sich, Meryl.«
»He, und was?«
»Das kann ich dir nicht sagen, sondern nur spüren. Ich - ich - empfange Warnsignale.« Sie löste die Hand von meiner Schulter.
»Quatsch. Das bildest du dir ein. Hast du denn keinen Hunger?«
»Ja, das schon. Aber…«
»Hör auf mit deinem Aber. Wir ziehen das jetzt durch. Wenn du es nicht willst, dann trinke ich ihn allein leer.«
»Vorsichtig und…«
»Geh zur Seite!«
Ich wartete ab. Sollten sich die beiden streiten, ich wollte der lachende Dritte sein.
Isabel zog sich tatsächlich aus meiner Nähe zurück. Wohin sie verschwand, sah ich nicht. Sie meldete sich auch nicht mehr und überließ ihrer Artgenossin das Feld.
Die sackte links neben mir in die Knie. Ich sah sie noch immer nicht, konnte sie allerdings riechen, und es war ein Gestank, der mir auf den Magen schlug. Nicht unbedingt nach Verwesung, aber schon alt und verbraucht.
Zwei Hände griffen zu. Sie würden mich auf den Rücken drehen, um an meinen Hals und an die Schlagader zu gelangen.
Ich tat nichts. Die Augen hielt ich halb geschlossen. So konnte ich beobachten, was passierte, aber die andere Seite musste denken, dass ich noch groggy war.
Zwar konzentrierte ich mich auf die Gestalt neben mir, aber ich nahm nebenbei auch wahr, dass von oben her Licht in dieses Verlies fiel. Und ich entdeckte sogar eine Leiter. Das war im Augenblick alles, abgesehen davon, dass sich Isabel nahe der Leiter aufhielt. Sie überließ Meryl, deren Gesicht ich über mir schweben sah, den ersten Biss.
Ja, das war die Person, die uns Rudy beschrieben hatte. Auch wenn sie eine Veränderung durchlaufen hatte. Sie sah schmutzig aus. Die Kleidung war zum Teil zerrissen, aber die Zähne in ihrem Mund waren gut zu erkennen.
Sie war zum Biss bereit. Aber sie senkte ihren Kopf noch nicht, was auch Isabel auffiel.
»Hast du Probleme?«
»Ja. Jetzt glaube ich auch, dass er etwas an sich hat. Ich spüre eine Gefahr, glaube ich.«
»Und sein Blut?«
»Werde ich trotzdem trinken.«
Ich hatte zugehört, ohne zu zeigen, wie es mir wirklich ging. Innerlich aber war ich bis zum Äußersten angespannt. Ich war zwar noch nicht richtig fit, aber fertigmachen lassen würde ich mich nicht.
Meryl beobachtete mich aus ihren glänzenden Augen. Möglicherweise verlieh ihnen die Gier diesen Glanz. So nahe an der Nahrung zu sein, die Chance würde sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.
Sie wollte ohne Vorwarnung zubeißen. Ihr Mund war weit aufgerissen, und die Zähne zielten auf meine linke Halsseite, als sie den Kopf nach unten drückte. Sie war schnell, aber nicht schnell genug für mich.
Ich erwischte ihren Hals, bevor mich die spitzen Zähne überhaupt erreichten. Meine Hände umschnürten ihren Hals wie Klammern. Es war klar, dass ich sie nicht erwürgen konnte, aber ich wollte sie von meinem Hals fernhalten.
Sie gab einen Keuchlaut ab, wollte ihre Hände gegen mich einsetzen, da richtete ich mich bereits auf und schleuderte die Gestalt von mir weg.
Meryl flog quer durch das Verlies. Sie hatte damit nicht gerechnet und fand auch keinen Halt. Als sie zu Boden stürzte, stieß sie gegen ihre Freundin und hätte Isabel fast von den Beinen gerissen.
Jetzt war meine Chance gekommen. Normalerweise wäre es kein Problem gewesen, sie mit einem gezielten Schuss zu töten. Ich aber hatte ein anderes Problem, denn durch das heftige Aufsetzen hatte ich mir zu viel zugemutet.
Plötzlich begann meine Umgebung sich zu drehen. Ich selbst glaubte, den Halt unter mir
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