1629 - Die blaue Schlange
zusammengefunden, um hier am Geburtsort der größten Komponisten Akons das alljährliche Musikfestival zu besuchen.
Theadran war eine von den hoffnungsvollen Nachwuchskünstlerinnen, die auf dieser Veranstaltung die Chance bekamen, sich vor einem großen und fachkundigen Publikum zu beweisen.
Als sie an das Keytron zurückkehrte, um ein weiteres Stück zu spielen, blickte sie zu dem Mann hinüber, der zwischen den Vorhängen stand. Es war ihr Ziehvater Thraros von Aygolkyn.
Zufrieden und aufmunternd zugleich nickte er ihr zu.
Das hast du gut gemacht! sollte das heißen.
Sie lächelte dankbar, setzte sich an das Instrument, und während es still wurde im Saal, konzentrierte sie sich.
Der schwierigste Teil ihres Vertrags begann. Sie wollte eine klassische Komposition spielen, die schon vor Jahrtausenden entstanden war, als Atlan als Imperator von Arkon zu einem Staatsbesuch ins Blaue System der Akonen gekommen war.
Theadran war sich sehr wohl dessen bewußt, daß es angesichts der politischen Spannungen zwischen Akonen und Arkoniden nicht gerade opportun war, speziell dieses Stück zu spielen, und daß ihr böswillige Kritiker politische Absichten dabei unterstellen konnten, hatte es jedoch wegen seiner außerordentlichen Schönheit und Vollkommenheit gewählt.
Ein wenig wollte sie - und das gab sie unumwunden zu - auch für Versöhnung und Ausgleich zwischen den Völkern plädieren, ohne dabei jedoch für das eine oder das andere Partei zu ergreifen.
Als auch das letzte Hüsteln im Publikum verklungen war, begann das junge Mädchen. Die Töne des Stücks schwebten über die Zuhörer hinweg und füllten den Saal bis in den letzten Winkel aus, und Theadran wußte, daß nicht nur ihrem Vater ob der Reinheit und der Schönheit der Tonfolgen ein Schauer des Glücks über den Rücken lief. Sie wußte, daß manchem ihrer Zuhörer Tränen in die Augen stiegen -und ein wenig setzte sie auch auf Emotionen, um bei ihrem Vortrag mehr Erfolg zu haben.
Doch schon nach wenigen Takten vernahm die junge Frau ein störendes Zischen aus dem Instrument. Es war nur sehr leise, und manch anderer Keytroniker hätte es wohl nicht wahrgenommen. Ihrem feinen Gehör entging es jedoch nicht, und unwillkürlich beugte sie sich vor.
Ein eigenartig stechender Geruch stieg ihr in die Nase, und plötzlich begriff sie.
Die Leibwächter und ein überaus hartes Kampftraining hatten sie nicht beschützen können. Diejenige, die ihr nach dem Leben trachtete, hatte ein giftiges Gas ins Instrument eingebracht, und sie selbst hatte es durch das Berühren einer bestimmten Taste des Instruments ausströmen lassen.
Während sie sterbend von der Sitzbank vor dem Instrument fiel, erkannte sie noch, welche Taste es gewesen war, denn in diesem konzertanten Stück gab es eine einzige Note, die in keinem der anderen Stücke vorkam.
Als Theadran auf dem Boden aufschlug, war sie bereits tot.
Die Besucher sprangen entsetzt von ihren Sitzen auf. Einige eilten hilfsbereit auf die Bühne. Der Vater des jungen Mädchens schaffte nur drei Schritte, dann brach er mit Herzkrämpfen zusammen.
Im Innern des Keytrons fanden Untersuchungsbeamte später ein Schmuckstück. Es hatte die Form einer gefiederten Schlange und bestand aus einem lupenreinen blauen Edelstein.
Es konnte nie geklärt werden, wie das Gift und das Schmuckstück trotz aller Sicherungsmaßnahmen in das Instrument kommen konnte.
Irgendwo weit hinten im Saal aber stahl sich ein junges Mädchen davon, das Theadran ungemein ähnlich war. Es hatte eine andere Frisur als die Tote, und ihr Gesicht war durch Makeup verändert, doch jeder, der sie etwas genauer angesehen hätte, wäre sicher gewesen, es mit der Schwester Theadrans zu tun zu haben.
Wieder einmal hatte Saudra gewonnen, und nach dem Tode Allankas waren noch nicht einmal vier Wochen vergangen.
Seit Challenga von dem Tod von Theadran wußte, hatte sich ihr Leben radikal verändert.
Sie war ein lebensbejahendes, fröhliches Mädchen mit künstlerischen Ambitionen gewesen, das in einem wohlhabenden Haus und unter dem Schutz fürsorglicher Eltern aufgewachsen war. Sie hatte einen großen Freundeskreis gehabt und hatte sich in der Öffentlichkeit allzu gern mit ihren Eltern sehen lassen.
Eine Welt war für sie zusammengebrochen, als sie erfahren hatte, daß sie eine Schwester hatte, die eine Mörderin war, und die auch ihr Leben bedrohte. Daß sie Adoptiveltern hatte, wußte sie schon seit vielen Jahren. Es war bedeutungslos für sie, und
Weitere Kostenlose Bücher