1639 - Las Vegas-Wölfe
Anruf gelogen haben?«
»Nein.« Blake verzog das Gesicht. »Das kann ich ebenfalls nicht glauben. Über so etwas macht man keine Scherze.« Er nickte. »Gut, ich gehe mal davon aus, dass es Wölfe sind, die hier nach Las Vegas gekommen sind. Was haben sie hier zu suchen?«
»Gute Frage.« Abe lächelte kantig. »Ich denke, dass sie einen Auftrag zu erfüllen haben.«
»Welchen?«
»Keine Ahnung. Wir müssen uns nur damit abfinden, dass die Wölfe zur Realität gehören. Das Fremde, das man nicht wahrhaben will, das aber trotzdem im Hintergrund lauert, hat sich plötzlich gezeigt und seine Deckung verlassen.«
»Verstehe ich nicht.«
Abe Douglas suchte nach den richtigen Worten, um sich verständlich auszudrücken. Es war nicht einfach, doch dann hatte er den Faden gefunden und sagte: »Vielleicht sollten Sie sich damit abfinden, dass es eine zweite Realität gibt. Eine, die hinter der ersten lauert, die man normalerweise nicht zu Gesicht bekommt, die aber doch immer wieder erscheint, auch wenn sie nicht zu begreifen ist.«
»Wie die Wölfe.«
»Ja.«
Basil Blake sagte zunächst nichts. Er konzentrierte sich auf sein Gegenüber. Einige scharfe Atemzüge verließen seinen Mund. »Ich weiß zwar nicht genau, mit welchen Aufgaben Sie betraut sind, aber man hat bei mir durchblicken lassen, dass es bei Ihnen öfter um Fälle geht, die den Rahmen des Normalen sprengen, was immer das auch zu bedeuten hat. Kann man das so sagen?«
»In etwa schon.«
»Dann ist also das Erscheinen der Wölfe nicht normal. Das habe ich jetzt egriffen. Aber mich würde auch interessieren, wie viele dieser Tiere hier in der Stadt unterwegs sind. Haben Sie eine Ahnung?«
»Leider nicht.«
»Das dachte ich mir. Und ich würde zudem gern wissen, ob sie aus eigenem Abtrieb handeln oder nicht. Es könnte ja sein, dass jemand hinter ihnen steht, der sie befehligt.«
»Das will ich nicht ausschließen.«
»Wer könnte das sein?«
Abe Douglas lächelte kantig und hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Es kann eine andere Kraft sein, aber genau benennen kann ich sie nicht.«
»Einen Führer oder eine Führerin?«
»Durchaus möglich. Bitte, ich streite nichts ab. Und ich gebe zu, dass so etwas nichts mit der Normalität gemein hat. Anders ist…« Abe stoppte mitten im Satz. Er saß so, dass er in Richtung Eingang schauen konnte.
Dort fiel ihm die Bewegung auf. Jemand wollte das Hotel betreten.
»Verdammt!«, fluchte er und stand auf.
»Was ist, Abe?«
Die Antwort erhielt Basil Blake von einer anderen Seite. Hinter der Rezeption standen zwei Frauen, und die schrien zugleich auf, denn sie hatten die Besucher ebenfalls entdeckt.
Es waren zwei Wölfe, die in das Hotel schlichen, die Köpfe gesenkt hielten und die Lobby durchquerten. Sie knurrten nicht, sie bewegten sich auch nicht hektisch, sie gingen normal weiter, als wären sie in ihrem heimischen Wald und nicht in einer fremden Umgebung.
»Shit!«, flüsterte Basil Blake und zog seine Waffe.
Die Frauen schrien nicht mehr. Sie starrten den Tieren hinterher und wirkten wie Figuren aus Eis.
Auch die anderen wenigen Gäste verhielten sich ruhig. Sie gaben sich mehr erstaunt als erschreckt. In einer verrückten Stadt wie Las Vegas war alles möglich. Schließlich waren hier die besten Illusionisten der Welt aufgetreten oder traten noch immer auf.
Die Wölfe hatten etwa die Hälfte der Lobby durchquert, als sie anhielten.
Sie warfen ihre Köpfe zurück, schüttelten sie dann, und aus ihren Mäulern drang ein klagendes Heulen.
Eine blonde Frau, die zusammen mit drei Männern in Ledersesseln saß, fing an zu lachen. Es hörte sich hysterisch an, und dazwischen fragte sie: »Die sind doch nicht echt - oder?«
Ob die Wölfe diese Frage verstanden hatten oder nicht, war nicht relevant. Jedenfalls dachten sie nicht daran, weiterhin die harmlosen Tiere zu spielen. Sie drehten die Köpfe den Menschen in der Sitzgruppe zu und starteten ohne Vorwarnung ihren Angriff…
***
Wir waren nicht mit dem Wohnmobil gefahren, sondern hatten uns ein Taxi genommen. Stella war zwar neu in der Stadt, aber sie wusste, wo sie hinmusste, und hatte dem Fahrer die Information gegeben, der genickt hatte und losgefahren war.
Stella und ich saßen im Fond. Obwohl sie sich kaum bewegte, wusste ich, dass sie nervös war. Sie focht einen inneren Kampf aus, und auf ihrem Gesicht hatte sich ein schwacher Schweißfilm gebildet. Reden wollte sie nicht, denn auf meine Ansprechversuche hatte sie keine Antworten
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