1639 - Las Vegas-Wölfe
John.«
»Abwarten.«
Wir gingen weiter auf den Rand der Manege zu.
Wir waren doch gesehen worden. In dem Vorhang gegenüber tat sich eine Lücke auf und ein Mann erschien, der uns mit beiden Armen zuwinkte.
»Kennen Sie den, Stella?«
»Das muss Gerald Gibbs sein, der Chef.«
»Sehr gut.«
Der Mann kam auf uns zu und lachte. Er war ein kleiner Mensch, der sich sehr geschmeidig bewegte. Er war recht dünn. Auf seinem Kopf und in seinem Nacken wuchs kein einziges Haar. Ich wollte nicht unbedingt sagen, dass mich sein Gesicht an einen Totenkopf erinnerte, aber der Vergleich war nicht ganz abwegig. Die Nase, die Augen, der Mund - das sah alles irgendwie nach innen gedrückt aus.
Er trug ein weißes Hemd und eine enge schwarze Hose.
»Das ist ja toll, dass du hier bist.« Er umarmte Stella und wollte wissen, wer sie war.
Sie sagte ihren Namen.
»Aha, und was ist mit deiner Schwester?«
Sie fühlte sich plötzlich hilflos und warf mir einen schnellen Blick zu.
»Sie wird später eintreffen«, sagte ich.
Er nickte. »Gut, und wer sind Sie?«
»Ich heiße John und habe Stella begleitet.«
»Okay, ich bin Gerald Gibbs und der Chef hier.« Er wandte sich wieder Stella zu. »Gleich werden die ersten Zuschauer hier erscheinen. Zumeist junge Leute. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Euer Auftritt wird erst am Abend sein. Zwischen den beiden Verstellungen möchte ich noch sehen, was ihr alles könnt.«
Stella nickte nur. Sie hielt sich an meine Vorgaben. Ich hatte ihr geraten, zunächst mal den Mund zu halten, und konnte mir auch vorstellen, dass es nichts mit ihrem Auftritt wurde.
»Wenn deine Schwester kommt, Stella, werden wir gemeinsam reden. Zuvor zeige ich dir die Garderobe, wo ihr euch umziehen könnt. Ich sehe, dass du kein Gepäck bei dir hast.«
»Das trägt meine Schwester. Sie kommt mit unserem Wohnmobil, denke ich.«
»Gut. Parken könnt ihr ja hier.«
Wenig später gingen wir durch die Lücke im Vorhang und gelangten in den Backstage-Bereich. Dort war es mit der Ruhe vorbei. Andere Künstler bereiteten sich auf ihren Auftritt vor, indem sie trainierten. Sie dehnten sich, sie schlugen Rad, sie balancierten auf schmalen Balken und wurden von einigen Helfern beobachtet, die damit beschäftigt waren, Gerüste aufzubauen.
Garderoben gab auch. Wer sie betrat, sah eine Glaswand vor sich, die von innen durchsichtig war. Vier Stühle standen vor einem langen Tisch.
Es war keiner besetzt, und Gibbs wies auf den letzten Stuhl der Reihe.
»Hier kannst du dich dann schminken, wenn es sein muss. Daneben sollte deine Schwester sitzen.«
»Ist okay.«
Gibbs lächelte und wandte sich an mich. »Wollen Sie ebenfalls noch bleiben?«
Ich lächelte zurück. »Wenn ich darf.«
»Bitte, bitte, kein Problem. Ich bin es gewohnt, dass unsere Künstler oft ihre Freunde mitbringen. Manche sagen, dass es ihnen die nötige Sicherheit gibt.« Er spreizte die Arme vom Körper ab und sagte: »Sollte es irgendwelche Probleme geben, ich bin für euch da.«
»Danke.«
Gibbs winkte und zog sich zurück.
In den folgenden Sekunden sprachen wir beide nicht. Es war Stella anzusehen, dass sie sich alles andere als wohl fühlte. Sie sah aus, als würde sie frieren, und ihre gesunde Gesichtsfarbe war verschwunden.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte sie.
Ich hob die Schultern. »Nun ja, Sie müssen sich auf den Auftritt vorbereiten.«
»Aber ich habe nichts dabei. Kein Kostüm und…«
»Schieben Sie alles auf Liz.«
»Gibbs wird sauer sein, wenn sie nicht kommt.«
»Das werden wir noch sehen.«
Stella hielt mich am Arm fest. »Und Sie glauben, dass Liz noch auftauchen wird?«
»Ja, das denke ich. Sie will bestimmt mit Ihnen zusammen sein.«
»Und dann?«
Ich wollte sie nicht belügen, aber auch nicht zu hart vorgehen. »Könnte es zu Problemen kommen.«
»Ja, das ist möglich.« Sie schaute zu Boden und flüsterte: »Das ist nicht mehr meine Schwester, ich spüre es. Sie ist zu einer anderen Person geworden. Sie ist mir fremd. Ich habe fast schon Angst vor ihr.«
Ich wollte nicht näher darauf eingehen und riet ihr, zunächst in der Garderobe zu bleiben.
»Wo kann ich Sie denn finden, John?«
»Ich schaue mich nur mal um.«
»Und wenn die Vorstellung beginnt?«
»Bin ich dabei.«
Ob sie zufrieden war, sah ich ihr nicht an. Ich legte ihr meine Hände auf die Schultern, redete beruhigend auf sie ein und versprach, auf sie achtzugeben.
»Aber erst einmal ist Liz wichtiger. In ihr steckt etwas, das nicht
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