1649 - Niemals sterben
musste auch zugeben, dass im Leben nichts perfekt war.
Ab jetzt lag eine neue Aufgabe vor ihr.
Justine Cavallo sah sich nicht als eine normale Vampirjägerin an. Sie wollte nur die Ausbreitung der Blutsauger in Grenzen halten, um für sich einen Überblick zu behalten. Klammheimlich wollte sie sich ein Machtpotential aufbauen, auf das sie zurückgreifen konnte, wenn es hart auf hart kam.
Die Insel, auf der Dracula II seine Existenz verloren hatte, lag längst hinter ihr. Es war ihr auch gelungen, sich aus dem Netz zu befreien. Das interessierte alles nicht mehr. Jetzt befand sie sich zwar auch auf einer Insel, die aber hörte auf den Namen Großbritannien und war mit einer normalen Insel nicht zu vergleichen.
Eine Unperson wie die Cavallo konnte sich überall bewegen und auch wohl fühlen. Ob in der Einsamkeit des Landes oder im Gewühl der Großstadt, sie kam überall zurecht. Doch nach dem Verlassen der Insel hatte sie die größeren Städte gemieden und war in der Einsamkeit des Landes unterwegs.
Sie ging ihrem Gespür nach. Sie versuchte auch, sich in Dracula II hineinzuversetzen und konnte sich gut vorstellen, dass es nicht nur auf der Insel seine Artgenossen gab, sondern auch welche auf dem Festland versteckt waren und sich dort so etwas wie Stützpunkte aufgebaut hatten.
Justine war lange genug an seiner Seite gewesen, um ihn gut genug zu kennen, und dieses Wissen setzte sie ein.
Dazu gehörte, dass sie in der Lage war, die Blutsauger zu wittern, und das auch über große Entfernungen hinweg.
Die moderne Art der Kommunikation war ihr ebenfalls nicht fremd. So hatte sie Sinclair eine E-Mail aus einem Internet-Café zukommen lassen, jetzt aber tauchte sie ein in die Welt der Instinkte, die nur sie besaß und kein Mensch.
Kein Vampir kam zu ihr, um mit ihr Kontakt aufzunehmen, es war umgekehrt. Sie war auf dem Weg, und ihre Sinne glichen ausgefahrenen Antennen. So war es für sie kein Problem, jemanden zu orten, der zu Mallmann gehört hatte.
Es war ein ungewöhnlicher Novemberabend, durch den sie sich bewegte.
Das graue Licht des Tages war längst verschwunden. Dunkelheit hatte die Herrschaft übernommen, was für sie kein Problem war. Sie bewegte sich ebenso sicher durch die Finsternis wie im Hellen und sah so gut wie die normalen Menschen am Tag.
Der düstere Monat machte seinem Namen alle Ehre. Nur gab es etwas Ungewöhnliches, was schon in den letzten Tagen zu spüren gewesen war.
Es wollte einfach nicht kalt werden. Der Wind hatte auf Süd gedreht und brachte die entsprechenden Temperaturen aus dem Mittelmeerraum mit.
Eine warme, schon unangenehme Luft, die sich über dem Land verteilte und von einem starken Wind begleitet wurde.
Justines Suche war erfolgreich gewesen. In der Einsamkeit des Küstenstreifens hatte sie eine Hinterlassenschaft des Supervampirs wahrgenommen. Gesehen hatte sie nichts, nur gespürt. Der Wind hatte ihr so etwas wie einen Geruch entgegengetragen, und jetzt wusste sie genau, wohin sie musste.
Es war eine einsame Straße, über die sie schritt. Sie hatte den Namen der Ortschaft, zu dem die Straße führte, auf einem Schild gelesen. Sie war bestimmt nicht groß und sie lag sehr abgeschieden. Dort würde sie finden, was sie suchte, und so nahm sie den direkten Weg durch den dunklen Abend, der allmählich in die Nacht überging.
Es war nicht still, denn der starke Südwind rauschte gegen ihre linke Körperseite. Er füllte ihre Ohren. Er war mal weg, bis die nächste Bö kam und sie erwischte, wobei sie ein Flattern und Rauschen in ihren Ohren verursachte.
Es störte sie nicht, denn sie wusste, dass am Ende des Wegs etwas Bestimmtes auf sie wartete. Sie würde den Blutsauger suchen und auch finden.
Die Straße war zu dieser Zeit nicht befahren. Bei dieser Dunkelheit und bei diesem Wetter hielten sich die Menschen zurück, und das kam ihr sehr entgegen. So würde man sie nicht sehen, wenn sie den kleinen Ort erreichte.
Sie zuckte nur einmal kurz zusammen, als ihr der Wind ein knatterndes Geräusch an die Ohren trieb. Im Gehen drehte sich die Cavallo um und sah ein noch recht weit entferntes tanzendes Licht dicht über der Straße.
Sie musste nicht lange überlegen, um zu wissen, was sie da gestört hatte.
Jemand fuhr auf einem Zweirad durch die Nacht. Ein Roller oder ein Motorrand, wobei der Fahrer Mühe hatte, eine gerade Linie zu fahren, weil er stets von Windstößen erfasst wurde.
Ein Mensch kam auf sie zu. Justine überlegte für einen Moment, ob sie ihn als
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