1649 - Niemals sterben
ja recht. Aber der Mann war völlig überfragt.
Justine war gespannt, wie es weitergehen würde.
»Wo steckt sie, Hank?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Du sollst nicht lügen.«
»Aber es stimmt.« Seine Stimme klang gequält. »Es gibt nur die Frau in der Hütte.«
»Ist sie eine von uns?«
»Nein. In ihren Adern fließt das Blut eines normalen Menschen. Das kann ich nur immer wieder betonen. Du kannst dich in der Hütte davon überzeugen.«
Die Blutsaugerin überlegte. Sie schaute dabei in Justines Richtung, ohne sie zu entdecken, denn die Cavallo hatte hinter einem abgestellten Auto Deckung gefunden.
Sekundenlang geschah nichts. Dann nickte die Blutsaugerin.
»Gut«, sagte sie, »es ist okay. Du hast mich zwar nicht überzeugen können, aber wir werden zu deiner Hütte gehen, da will ich sie sehen.«
Hanks Stimme hörte sich bei der Antwort schon bittend an. »Ja, ich habe sie für dich aufbewahrt. Sie ist gefesselt. Sie wird dir keinen Widerstand entgegensetzen. Dann wirst du auch erkennen, dass du dich geirrt hast.«
»Ich irre milch nie!«
Bei dieser Antwort blieb es.
Sekunden später waren Hank und die Blutsaugerin unterwegs. Der Brunnen war nicht mehr wichtig für sie, jetzt zählte nur noch das Haus mit der Beute.
Justine würde natürlich die Verfolgung aufnehmen, aber nicht sofort. Sie wollte kein Risiko eingehen, denn sie ahnte, dass ihre Artgenossin weiterhin von einem starken Misstrauen durchflutet war, und das zeigte sich schon nach den ersten Schritten, denn sie drehte sich während des Gehens um.
Justine war hinter ihrer Deckung nicht zu sehen, und da blieb sie auch, bis die beiden das kleine Haus erreicht hatten. Bevor sie es betraten, drehte die andere Blutsaugerin noch mal den Kopf und blickte den Weg zurück.
Sie sah nichts, aber es stand für Justine fest, dass sie ihr Misstrauen noch nicht überwunden hatte.
Trotzdem verschwanden beide im Haus.
Das war der Moment, in dem sich die Cavallo aus ihrer Deckung löste.
Sie wusste genau, was sie zu tun hatte. Auf keinen Fall wollte sie auf geradem Weg zum Haus laufen. Da hätte nur jemand aus dem Fenster schauen müssen, um sie zu sehen. In ihrem Kopf hatte sie längst einen anderen Plan gefasst, und den setzte sie in die Tat um.
Sie hatte damit gerechnet, dass sich der Nebel verdichten würde. Den Gefallen hatte er ihr nicht getan, aber die Dunkelheit war geblieben, und das zählte.
Auch jetzt achtete sie darauf, kein Geräusch zu verursachen. Man konnte nie wissen, welche Überraschungen einen erwarteten. Im Moment war alles friedlich, aber das konnte sich blitzschnell ändern.
Justine duckte sich und bewegte sich mit schnellen Schritten.
Dann war es geschafft. Sie blieb dicht an der Hauswand stehen.
Von ihrer Artgenossin sah sie nichts. Sie blieb weiterhin im Haus und verhielt sich dort sehr still.
Justine schob sich vor, bis sie das Fenster erreicht hatte, durch das sie schon einmal geschaut hatte. Jetzt lugte sie von der Seite her durch die Scheibe.
Die Szene im Haus hatte sich verändert. Zwar saß die junge Frau nach wie vor gefesselt auf dem Stuhl, aber sie war nicht mehr geknebelt. Hank hatte sie davon befreit. Er hielt das Tuch noch in der Hand und starrte die Vampirin an.
Die tat nichts. Es bewegte sich nur die Gefangene. Sie war froh, wieder Luft holen zu können, und ihr Atmen war so heftig, dass selbst Justine es hörte.
Die Blutsaugerin im Haus genoss dieses Bild.
Sie hatte die Lippen zurückgezogen, sodass ihre Zähne zu sehen waren.
Die junge Frau wusste jetzt, mit wem sie es zu tun hatte. Sie schrie noch nicht, weil sie noch immer mit sich selbst zu tun hatte und erst wieder normal Luft holen musste.
Zwei kalte, leblose Augen starrten sie an. Justine wusste aus eigener Erfahrung, dass ihre Artgenossin eine gewisse Vorfreude erlebte, die sie gern in die Länge zog.
Die Cavallo hatte nichts persönlich gegen die Wiedergängerin aus dem Brunnen. Trotzdem wollte sie dieses Wesen vernichten. Das hing einzig und allein mit Mallmann zusammen. Sein Erbe musste vernichtet werden, wo immer es angetroffen wurde. Ob Vampire oder Halbvampire, sie würde dafür sorgen.
Die Gefangene hatte sich wieder beruhigt. Zumindest ging ihr Atem nicht mehr so schnell. Aber in den Augen lag der Ausdruck einer tiefen Panik, denn sie wusste, was ihr bevorstand.
Und die Blutsaugerin wollte auch nicht länger damit warten. Sie trat dicht an ihr Opfer heran und streichelte die linke Wange. Das Gleiche tat sie mit der rechten, bevor
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