1652 - Das Eiszeit-Erbe
auf mich zu. Er hatte Probleme, sich auf den Beinen zu halten. Aber er schaffte es und brach nicht zusammen, während ich ihn erwartete. Mein Gesicht zeigte eine starke Anspannung, das wusste ich, auch wenn es ein fremdes war. So verrückt es klang, aber es war eine Tatsache. Aus einer Person waren zwei geworden. Oder es waren schon immer zwei gewesen, die sich in einer verborgen gehalten hatten.
Ich fühlte nichts mehr. Ich war zu einer Person geworden, für die es keine Gefühle mehr gab. Ich stand da, ich wartete, und ich sah Brian Sinclair immer näher kommen. Er hatte ja keine größere Strecke zurückzulegen. Nur ein paar Schritte, dann konnten wir uns gegenseitig anfassen. Ich wehrte mich nicht dagegen und wartete ab, was geschehen würde.
Es war schon als unwahrscheinlich anzusehen, dass ein Mensch aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert einem Ahnherr gegenüberstand, der seit Hunderten von Jahren hätte tot sein müssen.
Brian Sinclair hielt an. Er nickte mir zu. Dann zuckten seine Arme, und er streckte mir die Hände entgegen. Er wollte mich berühren, und ich begrüßte ihn. Mit dem Gesicht meines Ahnherrn versehen, gab ich meinem Ahnherrn die Hand. Es war wieder ein Vorgang, den man nur mit dem Begriff unglaublich bezeichnen konnte. Ich dachte nicht näher darüber nach, weil ich dazu nicht in der Lage war. Nur die andere Seite war wichtig, und als sich unsere Hände berührten, da kam es zu einem Zusammenschluss. Hände und Arme schienen so etwas wie elektrische Leiter zu sein, die in diesem Fall keinen Strom durchließen, sondern etwas anderes. Ich fühlte plötzlich die andere Kraft in mir. Dabei wusste ich nicht, ob sie von Baphomet stammte oder von Brian Sinclair. Jedenfalls war sie mir fremd. Tief im Innern der Erinnerung wusste ich, was da ablief. Ich sollte zu dem werden, was auch Brian Sinclair mal gewesen war.
Ich hatte den Eindruck, immer mehr von meinem Ich zu verlieren. Ich sank in etwas hinein, ohne den Kontakt mit dem Boden zu verlieren, und je mehr Zeit verging, umso stärker verlor ich das eigene ich…
***
Im letzten Augenblick hatte es sich Suko überlegt und seinen Plan geändert. Er hatte vorgehabt, die Tür heftig aufzustoßen, umso schnell wie möglich nach seinem Freund schauen zu können.
Das ließ er bleiben. Er hörte auf sein Gefühl und ging behutsam zu Werke. Er drückt die Klinke ganz nach unten. Als er nichts hörte, schob er die Tür Stück für Stück auf. Je breiter der Spalt wurde, umso mehr sah er. Für einen Moment stockte ihm der Atem, als er erkannte, dass Brian Sinclair nicht mehr starr da lag. Er war zu einem Zombie geworden und hatte es geschafft, sich zu erheben. Suko sah ihn und auch John, aber der drehte ihm den Rücken zu. So fiel Sukos Blick zwangsläufig auf das Gesicht Brian Sinclairs, und dann erlebte Suko die zweite böse Überraschung. Brian Sinclair hatte nicht mehr sein altes Gesicht. Da war ein Austausch vorgenommen worden, denn jetzt sah er so aus wie Baphomet.
Suko ahnte, dass da noch einiges auf ihn zukommen würde. Er verbreiterte den Spalt so weit, dass er sich hindurchschieben konnte, um das Zimmer zu betreten. Noch sah er nur Johns Rücken. Er griff noch nicht ein, denn er sah, dass sich beide Personen die Hände reichten, was ihn ebenfalls überraschte. John schien die Veränderung seines Ahnherrn als völlig normal hinzunehmen. Das verstand Suko nicht. Er wunderte sich auch über Johns Bewegungen, die so verhalten waren, als würde er durch irgendetwas daran gehindert, sich so zu benehmen wie immer. Suko ging lautlos vor.
Nach nur zwei Schritten blieb er stehen. Zwischen den beiden anderen Männern geschah nichts, aber Suko gefiel dieser Status quo nicht. Er wollte eingreifen und schlich an John Sinclair vorbei. Er blieb erst stehen, als er seinen Freund im Profil sehen konnte. Da musste er den Kopf nach links drehen.
Der schnelle Blick - der dritte Schock!
Suko hatte den Eindruck, nicht mehr in dieser Welt zu sein. Aber das Bild war kein Irrtum.
Sein Freund John Sinclair hatte nicht mehr sein altes Gesicht, sondern das seines Ahnherrn…
***
Dies zu fassen ging an Sukos Grenzen.
Ein anderer Mensch wäre vielleicht schreiend weggerannt, aber Suko blieb stehen, und seine Haltung deutete an, wie geschockt er war.
Er konnte kein Wort sagen. Und jetzt fiel ihm auch auf, dass John sein Kreuz verloren hatte. Er sah es auf dem Boden liegen. John war somit wehrlos und hatte der anderen Seite alle Chancen überlassen, ihn zum großen
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