1652 - Das Eiszeit-Erbe
einmal an. Er hatte sich in den letzten Sekunden nicht verändert. Das fremde Gesicht war nicht verschwunden. Nach wie vor glaubte ich, den Dämon Baphomet vor mir liegen zu sehen, wenn auch ohne Hörner und mit einem anderen Körper. Das nahm ich noch hin, nur stellte sich mir die Frage, was ich damit zu tun hatte. Warum war ich nicht mehr fähig, mein Kreuz anzufassen? War das nur eine Momentaufnahme oder schon mehr? Dafür fehlte mir das Wissen, und das wollte ich mir holen. Deshalb ging ich dorthin, wo das Kreuz lag. Es war ganz einfach. Ich musste mich nur bücken, den Arm ausstrecken und das Kreuz anheben. Es war kein Problem. Ich streckte auch die Finger aus, berührte das Kreuz, was ja alles normal war.
Nur nicht in diesem Fall.
Kaum hatte ich das Kreuz berührt - und das nur mit den Fingerspitzen - drang ein Schrei aus meinem Mund. Er war nicht sehr laut und mehr aus dem Erschrecken geboren als aus dem Schmerz, denn ihn erlebte ich an meinen Fingerkuppen.
Das Kreuz war heiß. Es lehnte mich ab. Es gehörte nicht mehr zu mir, und das brachte mich völlig durcheinander.
Warum? Was hatte ich getan? Das war einfach alles nicht mehr zu fassen. Ich richtete mich wieder auf. Ich war von der Rolle, ich wusste keinen Grund, weshalb sich das Kreuz gegen mich stellte. Meine Gedanken galten auch nicht der Gegenseite. Ich verhielt mich so wie immer, und doch war alles anders geworden. Dann hörte ich das Lachen. Es hallte in meinem Kopf wider. Es war leise und trotzdem auf eine gewisse Weise laut. Jemand freute sich über meinen Zustand. Wieder klang die Stimme auf, die nur für mich bestimmt war. »Wir Sinclairs gehören zusammen. Der eine muss auf den anderen achten, und das ist passiert.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Du wirst es gleich merken.«
Die Antwort reichte der anderen Seite aus. Und ich stellte sehr bald fest, was sie bedeutete. Urplötzlich verspürte ich ein Brennen mitten in meinem Gesicht. Als hätte man mir heißes Wasser darüber gekippt.
Alles wurde anders. In den folgenden Sekunden wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich drehte mich auf der Stelle und presste die Hände gegen mein Gesicht. Mein Gesicht?
War es noch mein Gesicht?
Das war mehr als ein verrückter Gedanke, der mir durch den Kopf schoss. Ich hielt die Hände noch davor und wollte das Brennen eindämmen.
Das brachte ich nicht fertig. Nach wie vor war es vorhanden, aber ich verspürte wenig später auch eine leichte Linderung. Als wäre dieser Angriff vorbei. Was war denn passiert?
Als hätte ich mir selbst einen Befehl gegeben, begann ich mein Gesicht abzutasten, weil mir plötzlich ein furchtbarer Verdacht gekommen war. Hätte es hier im Raum einen Spiegel gegeben, wären bestimmte Dinge kein Problem gewesen, aber den gab es hier nicht.
Und so musste ich mein Gesicht weiterhin abtasten, und der schreckliche Verdacht wurde zur Wahrheit.
Das war nicht mehr mein Gesicht. Ich hatte ein anderes bekommen. Hier spielten Kräfte eine Rolle, die mir über waren. Ich riss mich hart zusammen und kämpfte zudem gegen die Panik an, die mich überkommen wollte.
Ich hatte lange genug getastet, um zu wissen, was dieses neue Gesicht bedeutete. Es war neu und zugleich alt. Ich sah nicht mehr aus wie ich, sondern wie mein Ahnherr Brian Sinclair…
***
Es passte Suko natürlich nicht, dass er warten sollte. Er fühlte sich abgeschoben, aber er ging auch davon aus, dass dies einzig und allein eine Sache der Sinclairs war. Man konnte sie als Familienangelegenheit bezeichnen, und da war es nicht gut, wenn er sich als Fremder einmischte.
Die Rückendeckung ging schon in Ordnung, und nur wenn John Hilfe brauchte, würde er eingreifen. Bisher war ihm noch nichts zu Ohren gekommen. Er und John befanden sich in einem Gebäude, in das Menschen freiwillig kaum hineingingen. Von seinem Freund John Sinclair hörte er so gut wie nichts. Und es gefiel ihm nicht, dass sich John schon so lange im Nebenzimmer aufhielt. Was hatte er mit dem Toten vor? War dieser Brian Sinclair wirklich so interessant für ihn? Suko kannte die Lösung nicht. So sehr es ihn auch drängte, sich der Tür zu nähern, er hielt sich doch sicherheitshalber zurück.
Eine Frist hatte sich der Inspektor nicht gesetzt, und das alles konnte er vergessen, als er an einer der beiden Türen ein Geräusch hörte. Er schaute hin und sah, dass sich die Klinke nach unten bewegte. Recht langsam sogar, was ihm nicht besonders gefiel. Jemand kam in das Zimmer. Suko, dessen Körperhaltung
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