1653 - Randwelt der Rätsel
dieser High-Tech-Geräte meuchlings umgebracht haben? Vielleicht haben sie deshalb so schreckhaft auf unser Erscheinen reagiert."
„Unsinn!" entgegnete Dilja. Es klang wenig überzeugend. „Das sind doch alles nur Auswüchse deiner blühenden Phantasie. Versuch nicht, dich so billig zu rechtfertigen."
Rutan seufzte und erhob sich. „Schade, daß du so starrsinnig bist, du Heldin von Arkon", sagte er mit leichter Ironie. „Du siehst die eine Seite und bist für die andere blind. Nun ja, auch du wirst eines Tages begreifen, daß zwischen Realität und Theorie eine tiefe Kluft klafft - fast so tief wie die Große Leere."
Damit ging er.
*
Dilja Mowak lauschte eine Weile den Gesprächsfetzen, die durch die offenen Klapptüren hereinwehten. Ein paar Minuten lang sangen mehrere Ertruser ein altes Lied, das davon erzählte, wie eine Gruppe unerschrockener Männer von Ertrus dem Teufel die Hölle heiß gemacht hatte.
Dann wurde es still.
Oder doch fast still.
Von irgendwo kamen rätselhafte Laute. Vielleicht von einem Vogel, der sich aber anhörte, als versuchte er mit verrosteter Kehle zu singen. Dazwischen pfiff etwas in kurzen Intervallen, dann erklang dumpfes Brüllen, eher erheiternd als bedrohlich.
Auch das Schnarchkonzert, das ab und zu für kurze Zeit einsetzte und dann wieder abrupt abbrach.
Und auch das zarte Klicken, das vor der Geräuschkulisse eines Tages niemals zu hören gewesen wäre.
Und bei dem die Oxtornerin erstarrte.
Denn sie wußte, wodurch es verursacht worden war.
Durch die Öffnung der Verriegelung der Robotfessel, die ihre Handgelenke umschloß.
Selbstverständlich arbeitete das syntronische Element völlig lautlos. Aber in dem Moment, in dem es sich öffnete, entspannten sich die Segmente der vielfach gegliederten Fessel etwas - und dieser Vorgang war mit einem feinen Klicken verbunden.
Nur öffnete sich die Verriegelung einer Robotfessel niemals von selbst. Ihr System war unfähig zu denken und konnte daher auch keine Eigeninitiative ergreifen.
Folglich mußte die Öffnung durch Aktivierung des Zeitschalters vorprogrammiert worden sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Der Ertruser, der mir die Fessel angelegt hat, muß die Einstellung heimlich vorgenommen haben! überlegte Dilja. Es ist tröstlich zu wissen, daß auch in Arlos Truppe kein Kadavergehorsam vorherrscht.
Aber Arlo hat doch die Fessel überprüft! Warum hat er nichts gemerkt?
Sie bewegte die Hände - und die schlanke Fessel glitt von den Gelenken.
Ein paar Sekunden lang saß die Hanse-Spezialistin still da, horchte in die Nacht und dachte fieberhaft darüber nach, wie sie ihre wiedergewonnene Handlungsfreiheit nutzen sollte.
Und dann wußte sie es.
Geräuschlos schlich sie zur Panzertür, die den Mannschaftsraum vom Cockpit trennte. Sie war nur angelehnt. Durch den Spalt drang schweres Atmen.
Behutsam zog Dilja Mowak die Tür ganz auf.
Nur ein Mann befand sich im Cockpit: der Ertruser Sherl Honk. Er saß auf dem Sitz des Kopiloten und schlief fest mit weit offenem Mund.
Sie entschied sich kurzerhand dafür, den Ertruser mitzunehmen. Sobald sie nicht mehr verfolgt wurde, würde sie ihm allerdings die Robotfesseln, anlegen, damit er ihr keine Schwierigkeiten machte.
Kontrollfelder blinkten und ein schwaches Summen erfüllte das Cockpit, als Dilja die Antigravprojektoren sowie den Gravopuls-Antrieb aktivierte und ihre Leistung hochfuhr. Ihre Finger huschten über die Schaltkonsole des Piloten.
Alle Aufregung war von ihr abgefallen. Sie handelte jetzt wie im Simulator.
Dann ließ sie den Shift senkrecht aufsteigen. Schon in 200 Metern Höhe ging sie in den Horizontflug.
Anderthalb Sekunden nach dem Start blendeten unten Scheinwerfer auf. Eine weitere Sekunde später meldete der Syntron auftreffende Fremdortungsimpulse, gleich darauf die Aktivierung mehrerer Gravojets. Zwei der anderen Shifts starteten.
Dilja lächelte grimmig und brachte ihr Fahrzeug auf Südostkurs.
Das Funkgerät sprach an. „Dilja!" brach die Stimme Rutans so brutal aus dem Gerät, daß Honk heftig zusammenfuhr und mit weit aufgerissenen Augen verständnislos vor sich hin starrte.
Die Oxtornerin schlug ihm die Handkante mit gebremster Kraft gegen die Halsschlagader. Sein Kopf fiel vornüber. „Diesmal reicht es!" wetterte Rutan. „Ich bringe dich vors Kriegsgericht, wenn du nicht sofort umkehrst und hier landest!"
„Militärgericht", korrigierte ihn Dilja. „Ohne Krieg kein Kriegsgericht, Arlo."
„Du mit deinen
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