Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1655 - Die »Heiligen« von London

1655 - Die »Heiligen« von London

Titel: 1655 - Die »Heiligen« von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
überstürzen und ließ eine gewisse Vorsicht walten. Ich hatte schon erlebt, wie gefährlich die beiden Gestalten waren, und wollte auf keinen Fall abermals in eine Falle laufen. Zum Glück verspürte keiner der anderen Gäste den Drang, ebenfalls die Toilette aufzusuchen. So erlaubte ich mir den Luxus, an der Tür zu warten und zu lauschen.
    Es war nichts zu hören, was mich hätte beunruhigen müssen. Und so zog ich die Tür mit einem Ruck so weit auf, dass ich den Raum überblicken konnte. Es gab keinen Vorflur. Es gab nur diesen Raum, und ich hatte freies Sichtfeld. Es war furchtbar. Mich interessierten nicht die Kabinen, auch nicht die Waschbecken, meine Blicke glitten über die Urinale, wo das rote Blut über den hellen Stein rann und zu Boden tropfte, auf dem Derek Sanders lag.
    Er war nicht ganz gefallen. Die untere Seite eines Urinals hatte ihn aufgehalten. Ich sah sofort, dass er nicht mehr lebte. Er war brutal hingerichtet worden, man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten, und seine Mörder waren längst verschwunden. Wohin sie gelaufen waren, stellte ich anhand der Blutstropfen fest, die auf dem Boden eine Spur bildeten.
    Ich erlebte Sekunden der Niedergeschlagenheit. Ich fühlte mich schlecht und wünschte mich weit, weit weg. Das war nicht möglich, und so musste ich mich mit den grausamen Tatsachen abfinden.
    Ich richtete meinen Blick nach links und blickte zum Fenster. Ich hätte nicht durchgepasst. Das war nur etwas für kleine Personen, und ich musste daran denken, dass die beiden Mörder keine normale Größe hatten.
    Das Gefühl, der große Verlierer zu sein, war da, aber es ging auch vorbei, und in mir stieg eine riesige Wut hoch. Ich fing an, die beiden Gestalten zu hassen, und schwor mir in diesen Augenblicken, dass ich sie stellen und vernichten würde. Es waren für mich keine normalen Menschen und erst recht keine Heiligen.
    Da hörte ich hinter mir ein Husten. Jemand kam, um auf die Toilette zu gehen. Ich drehte mich um, verließ den Raum und zog die Tür zu. Dann baute ich mich vor ihm auf.
    »He!«, motzte mich der Mann an. »Was soll das denn? Ich will in den Waschraum.«
    »Das ist nicht möglich.«
    »Warum nicht?«
    Ich hatte keine Lust, dem bärtigen Typ mit dem schlechten Atem eine Erklärung zu geben. Mein Ausweis musste als Argument reichen, und den starrte er aus großen Augen an. »Reicht das?«
    »Ja, schon gut.«
    Er trollte sich, und ich war mal wieder derjenige, der die Kollegen anrufen musste. Dabei blieb es nicht. Auch Suko wurde von mir informiert. Er schwieg zunächst, als er hörte, was passiert war. Dann wollte er wissen, ob er kommen sollte.
    »Nein, wir treffen uns im Büro. Versuch du inzwischen, etwas mehr über die Sanders-Brüder herauszufinden.«
    »Das wird nicht leicht sein.«
    »Ich weiß. Bis gleich.«
    Weiterhin musste ich Wache schieben. Mittlerweile hatte sich herumgesprochen, dass ich keinen Gast auf die Toilette lassen wollte. Es erschien der Geschäftsführer, der einen roten Kopf bekam, als er mich sah.
    »Sie sind wirklich von der Polizei?«
    »Ja.« Ich wies mich aus. »Und warum darf niemand der Gäste auf die…«
    »Dort ist ein Mord passiert.« Es hatte keinen Sinn, wenn ich ihm etwas vormachte. In wenigen Minuten würden die Kollegen hier sein, dann erfuhr er die Wahrheit. Er sah aus, als wollte er etwas sagen, aber meine Antwort hatte ihm die Sprache verschlagen. So nickte er nur, drehte sich um und ging zurück ins Café.
    Erneut hatten die sogenannten Heiligen zugeschlagen, und wieder musste ich darüber nachdenken, ob ich sie als normale Menschen ansehen musste oder als Schwarzblüter. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem. Sie maßten sich an, heilig zu sein, aber auf eine völlig verkehrte Weise.
    Ich wusste, dass sich die Kollegen beeilen würden, und trotzdem kam mir die Zeit lang vor.
    Dass ich die Heiligen nicht verfolgt hatte, darüber machte ich mir keine Gedanken. Sie waren entwischt und hatten einen guten Vorsprung herausholen können. Ich hätte mir auch Zeugen suchen können, aber das hätte nicht viel gebracht. Diese Killer waren schlau genug, sich so zu verhalten, dass sie nicht unbedingt auffielen. Und wer konnte schon sagen, welche Kräfte noch in ihnen steckten? Ich erinnerte mich daran, bei unserer ersten Begegnung den Eindruck gehabt zu haben, dass sie sich auf ihrer Flucht verwandelt hatten. Dass sie zu Schatten wurden, die plötzlich im Nichts verschwunden waren.
    Hin und wieder warf jemand einen scheuen Blick

Weitere Kostenlose Bücher