166 - Sohn dreier Welten
Barbarin, wild und mutig. Ihre ungebändigte Mähne war so schwarz wie Duu'das Schopf, und sie hatte die gleichen hohen Wangenknochen. Nur ihre Augen waren anders – diese großen braunen Augen voller Feuer.
Duu'da streckte unwillkürlich eine Hand aus, als das Bild erlosch. Er war verwirrt. Warum zog es ihn zu dieser Frau hin?
Sie war doch nur eine Primärrassenvertreterin! Und wieso war er nicht verärgert darüber, dass sie den Schergen getötet hatte, sondern vielmehr… erleichtert?
(Grao'sil'aana?) Besorgt tippte der Junge seinen Begleiter an. (Produziert mein Körper eigentlich auch Testosteron?) (Ja. Aber die Mengen sind nicht ausreichend, um Schaden anzurichten), sagte der Daa'mure und fügte düster hinzu: (Noch nicht.)
***
An diesem Abend im Juni 2522 hatten die Segler im Hafen von Kara'ki ( Karachi an der pakistanischen Küste ) aus gutem Grund fern von den Kaianlagen Anker geworfen: In der Stadt wurde gekämpft.
Die Fenster der Hafenkaschemmen waren verbarrikadiert.
Hinter den flachen Lehmziegelbauten, dort wo man das Stadtzentrum vermuten konnte, erhellte ein gelbrotes Leuchten die Dunkelheit. Außerdem konnte man in der Ferne das Knistern von Feuersbrünsten, das Klirren von Metall und das Gebrüll von Kriegern hören.
Quart'ol hatte zwar keine Ohren im klassischen Sinn, doch der Kampflärm war unüberhörbar. Obwohl die Vergangenheit seiner Spezies nicht weniger gewalttätig war als die der Menschen, empfand er Trauer bei dem Gedanken an das, was in der Stadt vorging.
Der Bürgerkrieg war Wasser auf die Mühlen seines Begleiters. Für Buki'pa, den der HydRat ihm zur Seite gestellt hatte, damit seine Sympathie für die Menschen nicht Überhand nahm, waren die Landbewohner allesamt unverbesserliche Rohlinge.
Gleich nach dem Verlassen der Transportröhre hatte das Lodern ihnen deutlich gemacht, dass sie im Begriff waren, sich auf etwas Unangenehmes einzulassen.
»Ich habe es immer gesagt«, klackte Buki'pa in der Sprache der Hydriten. »Menschen sind nun mal Säugetiere. Räuber. Allesfresser. Sie können nicht anders.« Er schüttelte sich.
Quart'ol seufzte leise. »Nun ja, wenn dein Urteil auf dem basiert, was sich hier abspielt, muss man zwangsläufig zu einem so radikalen Urteil kommen… Aber wir wollen doch bitte nicht vergessen, welche Genies die Menschheit hervorgebracht haben …«
»Zum Beispiel?« Buki'pas Stimme klang hämisch.
»Einstein, Edison, Mozart, Jules Verne, mit dem unser Volk lange in Kontakt stand…«
»Ja, und Attila, Idi Amin, Hitler, Pol Pot…«
Manchmal war Buki'pas Ironie unerträglich. Natürlich hatte die Menschheit nie nur aus der Heilsarmee, Albert Schweitzer und Mahatma Gandhi bestanden. Was Atavismen anging, konnten die Hydriten übrigens ganz gut mithalten. Aber das wollte Buki'pa nicht hören. Der Hinweis auf die eigenen Rohrkrepierer war Defätismus. Und überhaupt: Als Beamter musste er sich aus der Innenpolitik raushalten…
Quart'ol knirschte mit den Zähnen. In seinem früheren Leib hätte er vermutlich gelassen die Schultern angehoben. Doch der junge Körper, der seine Seele nun kleidete, produzierte Hormone, die seine Reaktionen beeinflussten.
Die Angehörigen seiner Gesellschaftsklasse kannten dieses Phänomen zwar, zeigten aber kein Verständnis für seine innere Unruhe. Quart'ol musste sich zusammenreißen. Der lange Kontakt mit dem Bewusstsein von Matthew Drax hatte sein Verhalten zusätzlich beeinflusst. Hin und wieder fühlte er sich fast wie ein Mensch. In solchen Augenblicken hatte er immer das Gefühl, alle wichtigen Dinge zu verpassen. Dann musste alles sofort geschehen, und zwar nach seinem Gusto.
Deshalb hatte er den HydRat auch gleich nach dem Großen Beben genervt: Man müsse Expeditionen in den asiatischen Raum entsenden, um die Folgen des Krieges zwischen Menschen und Daa'muren in Erfahrung zu bringen, und überall dort helfen, wo Not herrschte.
In Wahrheit ging es ihm vordringlich darum, Kontakt zu einem Techno zu bekommen. Seit die irdische Technik ausgefallen war, konnte er keine Verbindung mehr zu den Bunkerkolonien und Matt Drax aufnehmen und tappte völlig im Dunkeln, was die gegenwärtige Situation auf der Erdoberfläche anging.
Der HydRat hatte seinem Antrag widerwillig stattgegeben, die Mission aber an strenge Auflagen gebunden. Deshalb hockten Buki'pa und er nun am Fuße eines dicht bewachsenen Uferdeichs und beobachteten mit Hilfe von Messingfernrohren das Hafengelände. Hundert Meter hinter ihnen entlud ein
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