1660 - Die Todesengel von Hangay
bitten, ihm ein paar stichhaltige Argumente verpassen zu dürfen."
Alle lachten. Nur Lyndara stimmte nicht ein. Wie um Tifflor zu beruhigen, streichelte sie seine linke Schulter. Sie meinte damit nicht ihn, sondern eigentlich seinen implantierten Unsterblichkeitschip. Diese als Zärtlichkeit hingestellte Geste allein machte ihm die Bedrohlichkeit seiner Situation klar. Er hoffte, daß sich die Verhältnisse nicht so änderten, daß nur noch der Chip Bedeutung für Lyndara hatte und ihr an seiner Person nichts mehr lag. „Komm, Tiff, ich befreie dich von dieser ungehobelten Bande und führe dich angenehmerer Gesellschaft zu", sagte Lyndara lachend und führte ihn zu einer Tür; er kam sich dabei wie ihr liebstes Spielzeug vor. „Ich möchte dich mit Zop und seinen Vertrauten bekannt machen. Du wirst auch alte Bekannte wiedersehen.
9.
Tifflor war erleichtert, als sie ins Freie traten und Lyndara den Druck von seiner Schulter nahm.
Vor ihnen lag eine Bungalowanlage, eingebettet in einen exotischen Park, der von künstlichen Wasserläufen durchzogen wurde. Im Hintergrund war vor einem tiefblauen wolkendurchzogenen Himmel die mächtige Silhouette eines modernen Kugelraumers mit gut 300 Metern Durchmesser neben zwei kleineren haurischen Trimern zu sehen. „Das ist die KRONE VON HANGAY", erklärte Lyndara und deutete auf den Kugelraumer. „Sie gehört Zopran, dem Anführer der Paylaczer Guardians. Er ist der ungekrönte König von Hangay und bald dieser ganzen Mächtigkeitsballung. Ich habe den leisen Verdacht, daß Zop uns nur unterstützt, weil er sich insgeheim erhofft, daß wir ihn unsterblich machen, wenn wir erfolgreich sind. Vielleicht mache ich das auch, mal sehen."
Sie meint das ernst! dachte Tifflor. Jetzt ist mir klar, warum alle die Ertruserin und ihre Leute als verrückt bezeichnen. Sie ist es wirklich! „Zerbrich dir nicht den Kopf über all die Kanäle und Wasserfälle", fuhr Lyndara fort. „Du weißt ja, welche Todesangst die Hauri vor Wasser haben. Darum ist diese Oase durch einen Feldschirm vor Regen und sonstigen Unbilden geschützt. Und die Kanäle führen gar kein Wasser. In ihnen fließt synthetisches Poona! Schmeckt gräßlich. Mein Wort darauf. Dieser Planet gehört Dammo ald Tiil, dem Mann, der Zopran mit Waffen versorgt. Dammo mag uns nicht, aber Zop ist unser Schutzengel. Er erwartet sich etwas von uns. Ich darf ihn nicht enttäuschen."
„Ist dieser Zopran ein Überschwerer, weil er seine Truppe nach der Überschweren Paylaczer benennt?" fragte Tifflor. „Diesen Eindruck will er wohl erwecken", sagte Lyndara lachend. „Aber ich glaube nicht, daß er ein solcher ist. Du wirst ihn gleich kennenlernen.
Aber nicht sein wahres Aussehen. Er gibt seine Tarnung nie auf. Er wechselt die Rüstung wohl nur, wenn das Recycling-System gewartet werden muß. Ich habe ihn mal gebeten, sich mir zu zeigen, und er hätte es fast getan. Aber dann hat er es mit der Begründung abgelehnt, daß der Schwächling sich mit mir Kraftpaket nicht zu messen wage. Er muß irgendein Handikap haben. Deshalb der Schutzpanzer."
Sie erreichten ein Gebäude, das einer altterranischen Burg glich.
Am Eingang erwarteten sie zwei Vennok. Linuit und Toltir. Linuit hantierte mit seinem Zyklop-Vierfach-Tomber. „So sieht man sich wieder", sagte Toltir, dessen Translator-Synthesizer inzwischen repariert worden war, so daß sein Kartanisch nur von den normalen Begleitgeräuschen untermalt wurde. „Das hättest du auch einfacher haben können, Tifflor", fügte Linuit hinzu. „Ich weiß, es ist nicht deine Schuld. Aber keine Sorge, Zarron hat seinen Denkzettel bekommen."
Linuit ging ihnen voran, Toltir bildete den Abschluß. Auch das Innere des burgähnlichen Gebäudes war nach terranischem Geschmack eingerichtet, genauer: was Hauri unter altterranischem Stil verstanden. Tifflor fand das Interieur grauenhaft.
Sie kamen durch eine Halle in einen langen, hohen Gang und durch eine holzgetäfelte Tür in einen mittelalterlich anmutenden Rittersaal. Die Wände zierten bombastische, an Öl und Paraffin erinnernde Gemälde, an den Breitseiten standen echt wirkende Ritterrüstungen, und von der Decke hing ein schmiedeeiserner Kronleuchter über einer großen Tafel mit einem Dutzend hochlehniger Stühle. An der Längsseite der Tafel saßen zwei Personen. Die eine war ein uralt wirkender Hauri in prunkvollem Gewand, das dem Stil dieses nachgemachten Rittersaales angepaßt war, ein in eine moderne, bronzefarbene Rüstung
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