1662 - Welt ohne Schatten
Vielleicht finden wir ein paar interessante Hinweise, vor allem, was diese Fünf-D-Emissionen betrifft."
„Wir fliegen aber nur bis zum äußersten Rand", warf Joara Clayton ein. „Kein Risiko, daß wir uns da verstehen. Wir haben Wichtigeres zu tun."
„Selbstverständlich", kam es von Amires Traklon. „Du sprichst uns aus der Seele."
„Vielleicht sollten wir unsere Wissenschaftler an die Leine legen", grübelte Norman Fallar. „Dann können sie ungestört spielen, und wir brauchen sie nicht zu bewachen."
„Das ist aber nicht sehr freundlich", meinte Ribera. „Bewachen, also ich bitte dich."
„Ruhe", sagte die Kommandantin streng, bevor Fallar darauf etwas sagen konnte. „Enzio, kümmere dich um die Daten für die Hyperraum-Etappe und den Treffpunkt.
Dort sehen wir dann weiter."
„Aye, aye!" sagte Ribera lässig und beugte sich nach vorn.
*
Knapp fünf Tage später erreichten die Schiffe den vereinbarten Treffpunkt, ungefähr 250.000 Kilometer außerhalb der Akkretionsscheibe; nah genug, um Messungen vornehmen zu können, und weitab jeglicher Gefahr, ins Schwarze Loch hineinzustürzen. Die Wissenschaftler aller drei Schiffe stürzten sich begeistert auf ihre Arbeit und hielten regen Kontakt untereinander. Zunächst kam nichts Überraschendes dabei heraus, außer dem, was man bereits wußte und was nun erneut bewiesen werden konnte.
Dennoch wurde Joara Clayton bald nervös. „Mir ist dieses Schwarze Loch nicht geheuer, es fasziniert und erschreckt mich zugleich; es ist wie ein gigantischer Mahlstrom, ein alptraumhafter Strudel, der dort verborgen lauert, um alles zu verschlingen, was in seine Reichweite gerät", sagte sie zu Bull. Sie saßen gemütlich in seiner Kabine und nutzten eine Pause zu Kaffee und Unterhaltung. „Ich verstehe fast nichts von dem, was die Wissenschaftler machen, und komme mir irgendwie nutzlos vor. Einen Planeten erforschen, das kann ich. Ich untersuche physiologische und kulturelle Entwicklungen und so weiter, das ist etwas Lebendiges und Greifbares für mich. Aber hier drin zu sitzen und irgendwelche Messungen von etwas dort draußen zu machen, das man nicht einmal sehen kann... das ist nichts für mich."
Bull schmunzelte. „Du hast eben mehr einen Sinn fürs Praktische."
„Nicht nur, das weißt du genau. Aber dir geht's doch ähnlich, nicht wahr?"
„Teils, teils. Aber ich denke, die Experten werden nicht mehr allzulange brauchen.
Mike wird auch schon unruhig, und wenn er bald die Geduld verliert, kann es einen schnellen Abgang von hier geben."
Die Privatleitung des Bordfunks knackte. „Joara, du solltest lieber mal hierherkommen", ertönte Riberas Stimme. „Woher weiß er denn ...", entfuhr es Joara, dann lachte sie. „Hoffentlich habe ich dich jetzt nicht kompromittiert, daß in deiner Kabine nach mir gerufen wird."
„Ich denke, ich kann damit leben."
„Joara, das ist kein Scherz", tönte Ribera erneut. „Komm her, sonst verpaßt du das Beste."
„Dann sollten wir wohl gehen." Sie strich über ihre kurzen kastanienbraunen Haare und stand geschmeidig auf.
Bull fühlte sich manchmal an eine schlanke Katze erinnert, mit denselben anmutigen, fließenden Bewegungen: jeder Muskel, jede Sehne unter Kontrolle. Joara Clayton war intelligent und einfühlsam, sie drückte Ruhe und Ausgeglichenheit aus und verstand es, ihre Mannschaft zu leiten und zu begeistern; allerdings ließ sie sich nicht nur von ihrem Verstand leiten, sondern gab sich in freien Augenblicken gerne verspielten Träumereien und ihrer natürlichen Heiterkeit hin.
Sie zeigte Bull deutlich, daß sie seine Freundschaft schätzte und gern mit ihm zusammen war; er seinerseits konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt in menschlicher Gesellschaft so wohl gefühlt hatte. Obwohl der Gesprächsstoff nie ausging, schwiegen sie manchmal für einige Zeit und träumten einfach vor sich hin; sie hatte ihn einmal gefragt, ob er immer noch von seinem Alptraum gepeinigt würde, und er hatte verneint, was er nicht zuletzt auf das Quidor-Spiel zurückführte.
In einem plötzlichen Impuls schloß er seine Arme um sie und drückte sie kurz an sich. Sie lächelte, küßte ihn auf die Wange und verließ dann eilig die Kabine, während Ribera zum drittenmal aus dem Interkom keifte. „Wird auch Zeit", brummte der Pilot, als sie neben ihm Platz nahm. „Was gibt's denn?" erkundigte sich die Kommandantin, während sie sich den Konsolen zuwandte. „Da ist jemand ganz wild darauf, uns einen Besuch
Weitere Kostenlose Bücher