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1665 - Boccus Traum

Titel: 1665 - Boccus Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Gesichtern.
    Aus den Mündern troff der Speichel. Sie hockten entweder um das Feuer herum, das schnell zu brennen begann, und freuten sich gierig auf das Mahl, oder sie tanzten zwischen ihren schäbigen Hütten. Überall waren lange Stangen mit den Köpfen von erlegten Tieren darauf in; den Boden gerammt.
    Boccu begann laut zu schreien, als es unter ihm heißer und heißer wurde. Er rief den Wilden zu, laß er ein Nasran sei und sie ihn nicht fressen dürften. Sie verstanden ihn natürlich nicht, und der einzige Erfolg war der, daß sie noch mehr tobten und ebenfalls zu schreien begannen.
    War das nun sein Ende? fragte sich Boccu, als er keine Luft mehr hatte und sich mit dem Spieß über den kleinen, züngelnden Flammen drehte. Immer wenn er ins Feuer sehen mußte, schloß er die Augen. Es schmerzte jetzt schon höllisch. War dies die Strafe für seinen Ausbruch?
    Die Sinne drohten ihm wieder zu schwinden. Um ihn herum johlten und kreischten die Wilden. Nasranfresser! Es war unvorstellbar, aber es war so. Schon rückten sie ganz nahe, die Messer nach ihm ausgestreckt, als ob sie...
    Sie werden mich doch nicht anstechen, um zu sehen, ob ich schon gar bin? durchfuhr es den jungen Dritten in panischem Entsetzen.
    Er schrie wieder, und es war ihm egal, ob er sich zu Tode brüllte. Alles drehte sich um ihn. Er sah das Feuer, die Fratzen der Wilden und die anderen Feuer, den Himmel und wieder die Flammen. Es war aus. Er wollte nicht mehr. Er flehte die Götter um einen schnellen Tod ohne längere Qualen an. In seiner Verzweiflung rief er auch wieder nach Attan.
    Und das Wunder geschah.
    Was in diesen Augenblicken seiner höchsten Not genau passierte, wußte er hinterher überhaupt nicht zu sagen. Er wußte nur, daß plötzlich der Schatten über ihm war und daß er ihn zuerst für den Schatten des Todes hielt - bis er den Geistvogel erkannte.
    Hör nicht auf zu schreien, Boccu, sagte Attan zu ihm. Brüll weiter, so laut du kannst'. „Aber ich kann überhaupt nicht mehr!" jammerte Boccu.
    Du mußt und du kannst! Schrei, Boccu!
    Er tat es. Er hatte plötzlich wieder die Luft dazu, und er brüllte seiner Lage entsprechend: wie am Spieß.
    Da hörten die Wilden plötzlich auf, zu tanzen und mit ihren Messer nach ihm zu stoßen.
    Sie wichen zurück und verstummten.
    Schrei weiter, Boccu!
    Er tat es und glaubte, er wäre bereits in der Unterwelt oder träumte das nur. Aber dann mußte er auch träumen, daß er Worte in einer Sprache herauskreischte, die er nie vorher gehört hatte. Sie kamen ihm über die Lippen; er dachte sie gar nicht, sein Mund produzierte sie, und die Wilden begannen zu jammern und zu heulen - und rannten davon, als wären tausend böse Geister in sie gefahren.
    Aber Boccu hing noch über dem Feuer am Spieß, der sich jetzt nicht mehr drehte und sein Hinterteil langsam über den Flammen rösten ließ!
    Da sah er, daß einer der Wilden nicht mit den anderen geflohen war und sich jetzt scheu näherte. Boccu schwieg. Nur seine Augen flehten den Wilden an: Hilf mir!
    Der Grellbemalte kam an das Feuer, packte fest zu und hob den Spieß mit Boccu daran aus den Stützen, in denen er sich gedreht hatte. Er trug ihn vom Feuer fort, was ihn viel Kraft und unglaubliche Überwindung kosten mußte, denn seine Augen verrieten die Angst vor Boccu, und der Spieß war nicht gerade kalt.
    Boccu kämpfte gegen die drohende Ohnmacht. Eben noch hatte er sie von den Göttern erfleht. Jetzt starrte er den Wilden an, der ihn abgelegt hatte und mit einem Messer auf ihn zukam.
    Er war doch nicht etwa nur deshalb zurückgeblieben, weil er den ganzen Braten für sich allein haben wollte?
    Der Gedanke, der Boccu in diesem Moment durch den Kopf schoß, tauchte ihn wieder mitten hinein ins Wechselbad seiner Ängste, Schmerzen und Hoffnungen. Er atmete erst auf, als der Wilde ihm die Fesseln gelöst hatte und das Messer weit fortwarf.
    Dann ließ er sich vor dem Nasran niederfallen und machte unterwürfige Gesten. Er redete und redete, aber Boccu verstand kein Wort. Erst als der Wilde ging und Tücher und Wasser holte, um seine Brandwunden zu kühlen, da begriff Boccu, daß er wieder einmal durch eine unglaubliche Fügung gerettet worden war.
    Das war sein letzter bewußter Gedanke. Die Augen fielen ihm zu, und er sank in einen tiefen, festen Schlaf.
     
    *
     
    Der Wilde nannte sich Kruff, und er sorgte so lange für Boccu, bis dessen schlimmste Wunden geheilt waren und er sich wieder bewegen konnte, ohne vor Schmerz gleich

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