1665 - In der Totenstadt
hatte ich ihn schon erreicht. Ich presste eine Hand gegen seinen Rücken und spürte unter dem nicht eben dicken Material die schwabbelige weiche Masse.
Im nächsten Moment setzte ich schon die Klinge am Hals an, stieß aber nicht in die Masse hinein, sondern sorgte für einen ersten Schnitt und war froh, dass das Material nachgab.
Bevor der Ghoul richtig mitbekam, was mit ihm geschah, hatte ich schon zu einem Schnitt angesetzt und ihn von oben nach unten gezogen. Seine Schutzkleidung war rücklings in zwei Hälften geteilt worden und erinnerte mich an einen Vorhang, den man aufreißen konnte.
Mir quoll eine widerlich stinkende Masse entgegen. Sie war nicht hell, sie schimmerte grünlich und erinnerte mich an einen dicken Pudding, der sich im Zustand der Verwesung befand.
Unter der Maske erklang ein Schrei oder etwas Ähnliches. Jedenfalls hatte der Ghoul gespürt, dass mit ihm einiges nicht mehr stimmte, und er nahm all seine Kraft zusammen, wobei er sich schwungvoll umdrehte, um mich als Gegner vor sich zu haben.
Ich wich zurück und tauchte zur Seite. Die plumpen Arme des Ghouls griffen ins Leere.
»Perfekt, John«, lobte Suko mich, denn jetzt war er wieder an der Reihe. Und diesmal hielt er die besseren Karten in den Händen, auch wenn es sich dabei nur um seine Dämonenpeitsche handelte. Er musste in den Rücken des Ghouls gelangen und war dabei viel schneller als die stinkende Gestalt.
Fuller und ich waren nur Zuschauer. Suko holte kurz aus, dann drosch er zu. Die beiden Hälften der Schutzkleidung waren auseinandergeklafft. Er konnte die Lücken nicht verfehlen, und diesmal klatschten die drei Riemen der mächtigen Dämonenpeitsche gegen den ungeschützten Teil seines Rückens. Das war der berühmte Volltreffer. Der Ghoul schrie nicht, unter der Maske entstand nur ein Laut, der für uns nicht zu identifizieren war. Er ging, aber er schwankte dabei. Und er sah auch nicht mehr, wohin ihn sein Weg führte. So klatschte er gegen einen Baum. Die drei Riemen hatten ihn tödlich geschwächt. Suko musste kein weiteres Mal zuschlagen. Stattdessen leuchteten er und ich den Rücken dieser widerlichen Gestalt an, und im Licht der Lampen sahen wir, was mit ihm geschah. Er sackte zusammen.
Zugleich verlor der Schleim seine Weichheit. Er kristallisierte. Dabei breitete sich ein ekelhafter Leichendunst aus, der uns nicht weiter störte. Dafür schauten wir zu, wie der gesamte Rücken allmählich krustig wurde. Der Ghoul trocknete aus, und er musste dabei Schmerzen haben, denn unter der Maske waren wieder die seltsamen Laute zu hören.
Dann brach er zusammen!
Er glitt am Stamm nach unten und fiel auf den Rücken. Platt blieb er liegen, und wir wussten, dass er uns nicht mehr angreifen würde. Ich lief auf ihn zu und strahlte gegen seine Maske und auch in die runden Glasaugen hinein, hinter denen ich Bewegungen sah.
Suko kam ebenfalls zu mir. Er bückte sich und riss dem Ghoul die Maske ab. Wir sahen seinen Kopf. Wir leuchteten ihn an und stellten fest, dass er ein Gesicht hatte. Allerdings eingebunden in diesen stinkenden, zuckenden Schleim, der alles andere zur Nebensache machte. So schwammen in dieser Masse zwei kleine Augen, eine platte Nase, die immer stärker in die Masse hineingedrückt wurde - und ein Maul mit kleinen, aber messerscharfen Zähnen, die er nicht mehr einsetzen konnte. Die andere Kraft erwischte auch sein Gesicht. Die Zähne verloren ihren Halt, eine Woge aus Schleim bedeckte die vordere Seite der Fratze und blieb auch so. Zugleich war das Knistern immer stärker zu hören. Der Ghoul trocknete aus, was wir kannten, für Harold Fuller aber völlig neu war. Er war zu uns getreten und hielt den Blick gesenkt. Aus großen Augen starrte er die Gestalt an, deren Schleim sich immer mehr zusammenzog, bis er aussah wie ein Haufen Zucker.
»Das glaube ich nicht!«, flüsterte Fuller.
Ich lachte leise. »Dann überzeugen Sie sich doch.«
»Wie meinen Sie das?«
»Treten Sie auf ihn!«
»Ach, das ist…«
»Los, machen Sie schon.«
Fuller zögerte noch. Schließlich hob er sein rechtes Bein an. Er ließ den Fuß für einen Moment über dem Gesicht schweben, bevor er ihn nach unten rammte. Mit der Hacke zuerst erwischte er die Mitte des Gesichts - und stolperte leicht nach vorn, da er die Ghoulfratze tatsächlich zertreten hatte. Dabei War das Knirschen noch lauter geworden, und was von dem Gesicht zurückblieb, das sah wirklich aus wie eine zuckrige Restmasse. Es gab keinen Schleim mehr, nichts, das
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