1679 - Mandragoros Geisterfrau
Vielleicht das Reden.
»Wir haben gehört, was du mit uns vorhast. Aus deiner Sicht ist das sogar akzeptabel. Aber du bist nicht die wahre Herrscherin der Natur, Tabea.«
»Doch, ich…«
»Nein!«, fuhr ich ihr in die Parade. »Es gibt jemanden, der der wahre Herrscher ist.«
Ich lächelte mokant. »Muss ich dir den Namen noch extra sagen?«
»Du meinst Mandragoro?«
»Genau den. Er ist derjenige, der hier das Sagen hat. Er ist der wahre Umwelt-Bewahrer, und ich kenne ihn. Er kennt mich ebenfalls, und man kann nicht eben sagen, dass wir uns feindlich gegenüberstehen. Wir akzeptieren uns, und so glaube ich nicht, dass er mit unserem Tod einverstanden sein wird.«
Tabea war stur. Sie ging auf meine Bemerkung nicht ein. Sie sagte nur: »Er hat mir freie Hand gegeben. Ich habe ihm beweisen sollen, wozu ich fähig bin. Das habe ich zweimal getan und ich werde dies auch ein drittes Mal tun. Die Gründe kennt ihr. Das hier ist mein Wald. Mandragoro hat ihn mir überlassen.«
»Ich würde ihn dennoch fragen!«
»Nein, das werde ich nicht!«
Mir war klar, dass die Sekunde der Entscheidung bevorstand, und das wusste auch Maxine Wells.
»Wir müssen etwas tun!«, flüsterte sie mir zu.
»Das denke ich auch.«
»Willst du sie angreifen?«
Ich musste mir die Antwort noch überlegen, aber ich kam nicht mehr dazu, denn die Bewegung der Geisterfrau lenkte mich ab. Sie streckte ihre Arme zu den Seiten hin weg, und das war so etwas wie ein Zeichen.
Es begann am Boden, was ich nicht direkt sah, aber mir fiel auf, dass Maxine plötzlich mit dem Gleichgewicht zu kämpfen hatte. Es drängte sie nach rechts weg. Jetzt streckte sie auch den Arm aus, um sich irgendwo festhalten zu können. Beide Beine wurden ihr weggerissen.
Ich wollte nach ihr schnappen, doch da erwischte es auch mich. Bei mir war es der linke Fuß, der seine Standfestigkeit verlor. Ich kippte zur Seite und fand ebenfalls keinen Halt mehr. Für eine kurze Zeitspanne lag ich schräg in der Luft, dann prallte ich auf. Allerdings nicht auf den Boden, sondern in ein Bett aus Zweigen, Ästen und vielem Laub.
Ich landete in dem Baum, der direkt in unserer Nähe umgekippt war. Die Zweige gaben unter mir nach. Die Härte der Äste spürte ich schon, sie hielten mich auch auf. Blätter verdeckten meine Sicht. Ich hörte das Lachen der Geisterfrau, die für mich mehr eine Waldfee war, und ich vernahm den Fluch der Tierärztin.
Dann lag ich fast starr. Aber ich war in der Lage, meine Arme zu bewegen und musste nur wie ein Tier aus dem grünen Gefängnis herausklettern. Ich wuchtete mich auf die Seite, fand einen starken Zweig, an dem ich mich festhalten und auch hochziehen konnte, und zwar so weit, dass ich freie Sicht hatte. Zuerst sah ich Tabea. Sie tat nichts. Sie genoss die Szene, auf die sie schaute. Und da spielte Maxine Wells die Hauptrolle. Sie lag auf dem Rücken und war nicht mehr fähig, sich zu erheben, denn mehrere Zweige hielten sie umfangen und hatten sie gefesselt.
Noch konnte ich mich bewegen, und das wollte ich ausnutzen. Auch wenn es vielleicht falsch war, jetzt war nicht die Zeit, Rücksicht zu nehmen. Die Beretta steckte unter der Jacke, ich bewegte meine Hand auf sie zu, als es mich ebenfalls erwischte. Ein in der Nähe wachsender Ast war plötzlich zum Leben erwacht. Er hatte seine Starre verloren und schien aus Gummi zu bestehen. Bevor ich es verhindern konnte, hielt er meinen Arm umschlungen und zerrte ihn zurück. Ab jetzt war es mir nicht mehr möglich, an meine Waffe zu gelangen. Brutal wurde mir der Arm nach hinten gezogen. Der veränderte Ast hatte sich wie eine Klammer um meinen Ellbogen gedreht, und als ich mich darauf konzentrierte, war plötzlich der zweite veränderte Ast da und umschlang meinen linken Arm; Aus dieser Umklammerung kam ich aus eigner Kraft nicht mehr heraus. Die beiden Äste drehten sich. Sie zogen an mir und holten mich aus dem Blätterwirrwarr heraus. Ich wurde ein Stück rücklings über den Waldboden geschleift und versuchte trotzdem, mich zu befreien. Ich wollte zunächst die Arme anziehen, was nicht möglich war, denn der Gegendruck war zu stark.
Die Geisterfrau hatte ihren Spaß. Sie rieb sogar die Handflächen gegeneinander. Sie hatte den Mund weit geöffnet und ihre Augen glänzten dunkel.
»Keine Zeugen!«, flüsterte sie. »Keine Zeugen will ich haben. Ihr hättet euch nicht einmischen sollen, denn ich hätte meine Arbeit gern allein erledigt…«
Im zu Boden gefallenen Astwerk bewegten sich weitere
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