1693 - Letzte Zuflucht: Hölle
Wesen lag auf dem Boden und fing an, sich zu verändern. Der zweite Angreifer war dabei, das Haus zu verlassen.
Er stürzte aus der Tür nach draußen. Viel sah Wiebke nicht, doch sie glaubte zu sehen, dass sich hinter dem Teufelsdiener eine weitere Gestalt abmalte. Das war ein normaler Mensch.
Wieder ein Knall!
Aber diesmal leiser, und dann weiteten sich ihre Augen, denn der zweite Teufelsdiener brach ebenfalls zusammen. Sie sah sogar, wie die Glut aus den Augen verschwand und sich auch der Wuchs veränderte. Die Schwärze aus dem Gesicht verlief sich, und dann lag er leblos vor den Füßen eines Mannes, den sie zuvor nicht gesehen hatte.
Länger konnte sie nicht über ihn nachdenken, denn etwas anderes lenkte sie ab.
Sie hörte in Kopfhöhe Keuchlaute. Und die waren nicht von einem normalen Menschen abgegeben wurden. Sie stammten von zwei Kleinstkindern, die ihr bereits sehr nahe gekommen waren. Wenn sie die Augen verdrehte, schielte sie in die nicht mehr niedlichen, sondern jetzt verzerrten Gesichter, und sie sah auch die kleinen Fäuste, aus denen die Messerspitzen hervorstachen.
Zu nah für sie.
Im nächsten Augenblick würden mindestens zwei dieser Spitzen nach unten jagen und ihr Gesicht treffen …
***
Ich hatte die beiden Höllendiener vernichtet, aber damit den Kampf noch nicht gewonnen. Das wurde mir schnell klar, als ich die offene Tür hinter mir gelassen hatte und sah, was in diesem alten Bahnhofsbau passierte.
Ich wollte es nicht glauben. Es war einfach ungeheuerlich. In meinem Leben hatte ich schon viel gesehen und war mit mörderischen Dingen konfrontiert worden. Ich hatte gegen Vampire, Werwölfe und alle möglichen Monster gekämpft, aber nicht gegen Säuglinge, die noch nicht mal laufen konnten und dennoch morden wollten.
Das Opfer war eine junge Frau, die auf dem Boden lag und sich nicht wehren konnte. Sie war offenbar nicht in der Lage, der Gefahr aus eigener Kraft zu entgehen. Über den Grund wollte ich nicht näher nachdenken, hier musste ich eingreifen.
Es gab nur eine Chance, die Frau aus der Gefahrenzone zu schaffen. Ich ging den letzten Schritt, bückte mich, bekam ihre Beine zu fassen und zerrte die Frau weg. Genau im letzten Moment, denn zwei winzige Hände stießen zu und hätten die Messerspitzen in das Gesicht der Frau gestoßen.
Sechs kleine Kinder.
Und jedes war vom Bösen besessen. Auch das hatte ich noch nie erlebt und wusste nicht, was ich tun sollte. Wären sie erwachsen gewesen, hätte ich gewusst, was zu tun gewesen wäre, aber sie waren nun nicht mal erwachsen, sondern noch Säuglinge. Ich wäre meines Lebens nicht mehr froh geworden, wenn ich sie der Reihe nach erschossen hätte.
Doch was war zu tun?
Eine Lösung kam mir nicht in den Sinn. So schaute ich zunächst nur zu, was da ablief.
Die Kleinen sahen sich ihres Opfers beraubt. Obwohl sie das intellektuell nicht fassen konnten, schienen sie zu spüren, was ihnen da entgangen war.
Sie fingen an zu schreien und sie brüllten sich dabei gegenseitig an. Dabei bewegten sich die Arme und Beine zuckend. Die kleinen Messerspitzen huschten durch die Luft, aber es kam nicht so weit, dass sie sich gegenseitig verletzten. Da passten sie schon auf.
Sie zeigten zudem kein Interesse an mir. Ich konnte mir also weiterhin Gedanken über eine Lösung machen, aber das war nicht mehr nötig, denn Sekunden später erlebte ich ein Phänomen.
Von irgendwoher erreichte mich ein leiser Gesang …
***
Es war einfach himmlisch. Und der Gesang selbst kam mir wie ein Wunder vor.
Wie von Federn oder Flügeln getragen wehte er mir entgegen und sorgte dafür, dass meine Bedrückung verschwand.
Ja, es waren Stimmen, aber ob sie nun erwachsenen Personen oder Kindern gehörten, fand ich nicht heraus. Ich sah sie einfach nur als wunderbar an. Sie waren da, um das aufgeputschte Gemüt eines Menschen zu beruhigen.
Die Stimmen durchdrangen den gesamten Bau. Auch wenn ich aus dem Fenster schaute, waren keine Sänger zu sehen, aber sie wurden gehört, und zwar von den Babys.
Als hätten sie sich abgesprochen, lagen jetzt alle auf dem Rücken. Sie schauten hoch in eine bestimmte Richtung, als wüssten sie genau, wer sie dort erwartete.
Ich hielt mich zurück. Was sollte ich auch anderes tun? Doch als ich einen Blick auf mein Kreuz warf, da sah ich das wunderbare Licht, das es so weich umschmeichelte.
Jetzt stand für mich fest, dass die andere Seite dabei war, einzugreifen, hier zeigte sich der Dualismus der Welt. Es gab das Gute,
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