1693 - Letzte Zuflucht: Hölle
erzählen würde.
Sie nannte den Leuten meinen Namen und erklärte zudem, welchem Beruf ich nachging.
Ein Mann streckte die geballte Hand in die Luft. »Das kann uns die Kinder auch nicht zurückbringen. Scotland Yard soll in London bleiben.«
»Lass ihn doch mal sprechen.«
»Das hat doch keinen Sinn!«
Ich erhob trotzdem meine Stimme. Es wurde dann so ruhig, dass ich normal sprechen konnte. Jetzt gesellten sich auch noch andere Menschen zu dieser Gruppe, und ich hatte nicht vergessen, um was es mir ging. Wenn ich mehr über die Entführer wissen wollte, dann musste ich Zeugen finden, die sie gesehen hatten. Und sie waren auch nicht hergeflogen, sondern mussten Spuren hinterlassen haben, und da wollte ich erfahren, ob jemand etwas gesehen hatte.
Drei präzise Fragen stellte ich, und ich hoffte auf die entsprechenden Antworten.
Ein junger Mann meldete sich. Er trug die Arbeitskleidung eines Anstreichers.
»Ja, mir ist was aufgefallen.«
»Okay. Und was?«
»Ein Auto!«
»Was für ein Auto?«
»Die Marke kann ich nicht sagen. Es war ein schwarzer Transporter. Er fuhr in die Straße hier rein und hat vor dem Haus hier angehalten.«
»Und dann?«
Der Zeuge war überfragt. Er hob die Schultern. »Mehr habe ich nicht gesehen. Ich musste ja weiter streichen, außerdem stand ich mit dem Rücken zum Haus.«
»Haben Sie den Transporter denn wegfahren sehen?«
»Nein. Nur gehört, dass der Motor wieder ansprang. Ich habe mich nicht mal umgedreht. Ich kann nur sagen, dass der Wagen nicht lange vor dem Haus gestanden hat.«
»Danke«, sagte ich.
Mary Kendrick kam auf mich zu. Sie schob die Menschen, die sie umstanden, zur Seite. Ich sah in ihrem Blick nur wenig Hoffnung. Dann fragte sie: »Bringt uns das weiter?«
»Ich denke schon.«
Sie wiegte den Kopf. »So ganz kann ich dem nicht zustimmen. Und dass der Wagen hier in Melrose gesehen wurde, ist nicht neu. Nur hat es uns noch keinen Schritt weiter gebracht.«
»Er wird in einem Versteck stehen.«
»Wie sollen wir das finden?«
»Wir müssen es finden. Ich weiß inzwischen, dass auch die anderen Kinder wieder abgeholt wurden. Warum das? Was hat man mit ihnen vor? Das ist doch einfach nur furchtbar.«
»Ja, Mr Sinclair. Aber diese Kidnapper waren in der Vergangenheit schlau und sind es auch jetzt noch. Ich grüble auch über die erneuten Entführungen nach. Sie müssen ja einen Sinn machen, und es muss einen Grund dafür geben.« Sie ließ ihre Worte ausklingen und richtete ihren Blick auf mein Gesicht.
»Ja, Gründe gibt es immer.«
»Ich dachte da an einen Besonderen.«
»Und? Sind Sie zu einem Ergebnis gelangt?«
»Keine Ahnung.« Sie atmete tief ein, trat etwas zurück und nickte mir zu.
Ich brauchte einige Zeit, um zu begreifen, dass ich wohl gemeint war. »Sie meinen mich?«
»Das könnte doch sein.«
»Da bin ich gespannt«, gab ich leicht verwundert und auch etwas unsicher zurück.
Noch vor ihrer Erklärung versuchte sie, diese abzumildern. »Seien Sie mir bitte nicht böse. Wer immer diese Kinder gekidnappt hat, der weiß, dass Sie hier im Ort sind, und er ist möglicherweise über Sie informiert. Er kann sich auch denken, dass Sie es schaffen, die Kinder zu retten und sie somit der Macht der Hölle zu entreißen. Deshalb hat man sich die jungen Opfer geholt. Man will sie vor Ihnen in Sicherheit bringen.«
Ich stand da und sagte nichts. In diesem Moment hatte ich keinen Blick mehr für meine Umgebung. Da musste ich mich mit den Gedanken beschäftigen, die mir durch den Kopf jagten.
Konnte Mary Kendrick recht haben?
So unwahrscheinlich war das nicht. Schließlich war ich mit meinen Feinden bereits zusammengetroffen. Ich wusste, wer sie waren, und sie wussten, wer ich war. Wir standen in zwei verschiedenen Lagern, und es war klar, dass ich es nicht zulassen konnte, dass ausgerechnet Kinder in den Bann der Hölle gezogen wurden, die dann quasi die letzte Zuflucht für sie war, um mir zu entgehen.
Ein verrückter Gedanke, aber nicht so verkehrt. Darauf musste man erst kommen.
»Sind Sie mir jetzt böse?«
Ich lächelte. Dann schüttelte ich den Kopf. »Nein, Mrs Kendrick, das kann ich gar nicht. Unter Umständen haben Sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich bin da, ich bin ihr Feind, und sie müssen Maßnahmen ergreifen.«
»Und wir müssen dagegen etwas tun?«
»Ja, den Wagen finden.«
Wir würden uns natürlich auf die Suche machen. Aber nicht allein. Die Polizisten, die hier ihren Dienst taten, mussten mit einbezogen
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