1695 - Rasputins Erben
meisten war es wohl zu kühl, denn durch die Stadt wehte ein kalter Herbstwind.
Gabriel Borodin hatte uns alles so gut erklärt, dass wir nicht lange zu suchen brauchten. Wir sahen den Zugang zum Innenhof wie ein großes offenes Maul vor uns und gingen davon aus, dort die Müllcontainer zu entdecken. In einem von ihnen musste unser Informant stecken.
»Nach einer großen Gefahr sieht es hier nicht aus«, meinte Suko, nachdem wir einige Schritte gegangen waren. »Oder hast du etwas gesehen, das dich stört?«
»Nein, das habe ich nicht.« Ich ging ein paar Meter weiter und bleib dann stehen.
»Abgesehen von ihm.«
»Wen meinst du?«
Suko hatte in eine andere Richtung geschaut, sodass er der Mann, der am Beginn des offenen Karrees wartete, nicht gleich gesehen hatte. Er war gekleidet wie ein Motorradfahrer, nur fehlte ihm der Helm. Der Kopf lag frei, auf dem das Haar wuchs wie ein schwarzer, glänzender Schatten. Er stand da, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und tat so, als würde er auf etwas warten.
»Ich meine ihn.«
Beide waren wir stehen geblieben. Wir sahen den Mann, doch er sah uns nicht, weil er nach vorn schaute.
»Sieht aus wie ein Wachtposten«, meinte Suko.
»Ja, wie einer, den man bewusst zurückgelassen hat. Also können wir davon ausgehen, dass man Borodin noch sucht. Und der Kerl ist bestimmt nicht allein.«
»Was machen wir?«
»Hast du einen Vorschlag?«
Suko lächelte knapp. »Erst mal harmlos tun und die Container finden. Dann sehen wir weiter.«
»Einverstanden.«
Ein mulmiges Gefühl blieb trotzdem bei mir zurück. Dieser Typ passte nicht in die Umgebung. Er machte auch weiterhin den Eindruck, als würde er auf etwas lauern, und dann sahen wir, wie er ein Handy hervorholte und sich meldete.
Also stand er mit anderen Leuten in Verbindung. Natürlich konnte das Telefonat harmlos sein, aber daran glaubte ich nicht. Das sagte mir mein Bauchgefühl.
Es war gut, dass der Kerl durch das Gespräch abgelenkt wurde. So achtete er nicht auf uns. Aber wir kamen auch nicht ungesehen an ihm vorbei, denn kaum waren wir dicht vor ihm, da steckte er das Telefon wieder ein.
Jetzt sah er uns.
Und wir sahen ihn!
Für wenige Sekunden schien die Luft von einer knisternden Spannung erfüllt zu sein, dann nickte uns der Typ zu, als hätte er sich entschlossen, uns den Weg freizugeben.
Wir betraten das offene Karree, das in der Mitte eine Rasenfläche aufwies. Rechts wuchsen die Häuser in die Höhe, links ebenfalls, aber da standen auch die Müllcontainer. Dass sie einen hässlichen Anblick boten, darüber musste wohl nicht erst diskutiert werden, das war im Moment auch nebensächlich.
Suko, der neben mir ging, zählte sie ab.
»Genau sieben Container, John.«
»Und in einem steckt Borodin.«
»Wo? Sollen wir ihn rufen? Sollen wir jeden öffnen?«
Das hätten wir tun können, aber etwas hielt mich davon ab. Es war ein unbestimmte Gefühl, dass der Frieden nur gespielt war. Menschen zeigten sich nicht. Es kam auch niemand, um die Container zu öffnen, nur schräg gegenüber trat eine Frau aus dem Haus und ging eine Tür weiter, um dort zu schellen.
Als wir die Reihe der Müllcontainer erreicht hatten, hielten wir an. Ich drehte mich leicht um und warf einen Blick zurück. Der Kerl im dunklen Lederanzug stand noch immer dort. Nur hatte er seine Haltung verändert. Er hatte sich umgedreht und schaute in unsere Richtung. So ganz koscher schienen wir ihm nicht zu sein.
Das war er uns aber auch nicht, denn durch die Veränderung wussten wir, dass er möglicherweise Verdacht geschöpft hatte, und das gefiel mir ganz und gar nicht.
Wir gingen noch zwei Schritte und taten dann so, als würden wir etwas suchen. Dabei glitten unsere Blicke an den Fassaden entlang. Dort tat sich nichts, aber alle Überlegungen konnten wir zu den Akten legen, denn jetzt zeigte sich Gabriel Borodin.
Bestimmt hatte er hin und wieder den Deckel seines Containers geöffnet, um einen Blick ins Freie zu werfen. Das tat er jetzt auch, und es war der Behälter, der uns am nächsten stand.
Der Deckel wurde nur um eine Winzigkeit in die Höhe geschoben. Das reichte aus, um uns zu sehen.
Dann beging Borodin einen Fehler.
Er klappte den Deckel ganz hoch und richtete sich auf, um aus dem Abfall zu steigen …
***
Unsere Warnungen wären zu spät gekommen, denn jetzt war nichts mehr zu machen. Wir sahen Gabriel Borodin wie Phönix aus der Asche steigen, nur war es keine Asche, die seine Kleidung beschmutzt hatte,
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