1696 - Blutbeute
Lachen. »Wir haben sie praktisch in der Zange. Halt dich noch zurück. Wenn sie die Tür tatsächlich aufbrechen, greifen wir ein.«
»So hatte ich mir das auch gedacht.« Für Suko war der Anruf erledigt. Jetzt kam es auf die nächsten Minuten an, und Suko war mehr als froh, den zweiten Fahrstuhl genommen zu haben …
***
Judy Simmons schaute mich aus ängstlichen Augen an, als ich das Handy wieder weggesteckt hatte. Sie hatte Teile des Telefonats mitbekommen und fragte: »Droht Gefahr?«
Ich wollte nicht lügen und sagte ihr die Wahrheit.
Zuerst schaute sie nur. Dabei suchte sie nach Worten und fragte: »Warum kann man mich nicht in Ruhe lassen? Ich habe denen doch nichts getan.«
»Das trifft zu. Dennoch ist es Ihr Problem. Sie sind den Häschern entkommen und das können sie nicht auf sich sitzen lassen. So einfach ist das.«
»Aber warum ich?«
»Das weiß ich nicht, doch ich habe einen bestimmten Verdacht. Er kann zutreffen, muss jedoch nicht.«
»Und was meinen Sie?«
»Ich denke darüber nach, dass die beiden Männer so einfach das Haus hier betreten haben. Sie besitzen einen Schlüssel, sind also nicht fremd. Das heißt …«
Judy ließ mich nicht ausreden. »Das heißt, dass sie möglicherweise auch hier im Haus wohnen?«
»Das wollte ich damit sagen.«
Sie erschrak und ihre Gesichtsfarbe wechselte. Sie wich vor mir zurück und fragte mit leiser Stimme: »Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Sie müssen aus der Schusslinie, Judy.«
»Und wie?«
»Verstecken Sie sich. Ich denke, dass das Bad für Sie ein guter Ort ist. Und zwar sofort, denn mein Freund berichtete mir, dass sie sich bereits vor Ihrer Wohnungstür aufhalten.«
Judy Simmons sagte nichts mehr. Sie tat, was ich ihr geraten hatte. Mit wenigen Schritten hatte sie die Tür zum Bad erreicht und war dahinter verschwunden. Alles war sehr leise über die Bühne gegangen, und ich war gespannt, wie sich die beiden Männer vor der Tür verhielten.
Es war kaum anzunehmen, dass sie aufgeben wollten. Es musste ihnen ziemlich viel daran gelegen sein, Justine Cavallo ihre Nahrung zu bringen und sie so zu einem Kompromiss zu zwingen.
Mir bereitete auch Probleme, dass sie das Haus hier so leicht hatten betreten können. Das ließ darauf schließen, wie gut sie vorbereitet waren. Entweder hatten sie sich Nachschlüssel besorgt oder wohnten in diesem Haus.
Ich tendierte zur zweiten Möglichkeit und war mehr als gespannt auf ihr Erscheinen.
Sie waren zu hören, aber nicht zu sehen. Außen an der Tür tat sich etwas. Das Schloss wurde nicht mit Gewalt aufgebrochen. Jemand fuhrwerkte daran herum. Die Geräusche waren nur zu hören, weil es in der Umgebung still war.
Ich wechselte meinen Standort. Wäre ich stehen geblieben, hätten sie mich sofort nach ihrem Eintreten gesehen, und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden.
Ich zog mich zurück in den Wohnraum und spitzte die Ohren. Jedes Geräusch war jetzt wichtig, ich musste praktisch mit meinem Gehör sehen.
Ich spürte einen kaum wahrnehmbaren Windzug. Sie hatten es geschafft und die Tür geöffnet. Jetzt schoben sie sich in die Wohnung. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht auf den Gedanken kamen, zuerst im Bad nachzusehen. Ich fragte mich zudem, wie sich Suko verhalten würde. Noch musste er nicht eingreifen, aber würde er es zulassen, dass die Typen die Wohnungstür wieder schlossen?
Ich hörte kein Einschnacken, dafür aber vorsichtig gesetzte Schritte, die sich dem Wohnzimmer näherten. Nach wie vor lauerte ich im toten Winkel. Die Beretta hatte ich bereits gezogen. Ich hielt sie in der rechten Hand, die eng an meinen Körper gepresst war. Den Atem hatte ich reduziert. Sie hörten und sahen mich nicht. Dafür hörte ich sie. Das Flüstern drang bis zu mir, aber es war nicht zu verstehen, was sie sagten.
Sie kamen näher.
Von Suko hörte ich nichts. War die Tür letztendlich doch zugefallen?
»Wo ist die Frau?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber sie ist nicht weg.«
»Wieso?«
»Ich rieche sie. Ich rieche ihr Blut. Sie hält sich hier in der Wohnung versteckt.«
»Aber nicht im Wohnzimmer. Das scheint mir leer zu sein.«
»Keine Ahnung. Schau genau nach.«
»Gut. Und du?«
»Da ist noch das Bad.«
»Okay, wir trennen uns.«
Das Gespräch hatte in dem kleinen Flur stattgefunden und war so laut geführt worden, dass ich alles verstanden hatte. Die Lage spitzte sich zu. Ich konnte mich nicht für immer verstecken, denn ich hörte bereits den ersten Eindringling in meiner
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