1697 - An Bord der STYX
Mila sie an. Langsam wurde sie richtig ärgerlich. „Mit dir trainieren. Ich stelle dir alle technischen Möglichkeiten meines Schiffes zur Verfügung. Nicht hier und jetzt. Wir sind unterwegs, und wir fliegen sehr schnell. Es gibt keine Möglichkeit, die STYX zu verlassen. Leider besitzt sie nach euren Maßstäben nur achthundert Meter Durchmesser, viel zuwenig für meine Bedürfnisse. Aber ich konnte nicht wissen, daß ich dir begegnen würde."
„Jetzt weißt du es. Im übrigen habe ich keine Lust, auf dein Angebot einzugehen. Meine Begabung ist wertvoll, richtig. Ich bestimme aber selbst, wie ich damit umgehe."
„Ohne Zweifel, ganz richtig.
Ich werde dich nie zu etwas zwingen, Mila. Es ist phantastisch, Dinge von zwei Seiten gleichzeitig zu sehen, mehrfach und mehrdimensional, von vorn und von hinten. Und die Perspektiven erst, diese Perspektiven! Mila, du solltest viel üben, damit deine Augen sich an dreifaches und vierfaches Sehen gewöhnen. Oder an mehr. An das Sehen von allen möglichen Seiten." Daß menschliche Augen dafür nicht geschaffen waren und auch die Verarbeitungsmöglichkeiten des menschlichen Gehirns Grenzen setzten, das verschwieg die Söldnerin geflissentlich. „Ich habe in der Nähe eurer Kabinen ein Schwimmbad eingerichtet", wechselte Moira unvermittelt das Thema. „Es soll euch die Freizeit ein wenig versüßen. Grüß deine Schwester von mir, Mila." Sie hüllte sich in ein Deflektorfeld. Sosehr Mila sich auch bemühte und das Zimmer durchsuchte, sie fand Moira nicht.
Mit einem Achselzucken tat sie es ab und verließ den Raum durch die Tür hinter dem Sessel. Sie eilte den Korridor entlang und folgte seinen Windungen. Es gab keine Abzweigungen und keine Eingänge auf diesem Weg.
Moira schottete alles ab und verbarg es hinter Tarnschirmen, oder sie verrammelte die Zugänge mit Formenergie, die sich nahtlos in die Umgebung einfügte. Über eine Viertelstunde ging Mila Vandemar, bis in Sichtweite Türen auftauchten. Als sie sich näherte, öffnete sich eine davon, und Nadja stand im Korridor. „Da bist du ja", stellte sie fest und lachte erleichtert. „Bist du in Ordnung? Wehe, dieses Monstrum hat etwas mit dir angestellt."
„Eigentlich war sie ganz nett.
Sie will mit mir trainieren und baut auf meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit."
„Die kann sie haben." Nadja grinste. „Und wie sie die haben kann. Am besten fangt ihr noch heute mit dem Training an. Tausend Meter von mir entfernt."
„Du hast recht." Mila stimmte in das Lachen ein. „Moira wird den Flug wegen so etwas garantiert nicht unterbrechen." Vollständig sicher war sie nicht. Dazu kannte sie das unbegreifliche Wesen aus der Ferne zu wenig.
*
Etwas ging vor sich.
Alaska spürte es. Es ließ sich an winzigen Kleinigkeiten ablesen, die ihm erst bei genauem Hinsehen ins Auge fielen. Die Spindelwesen agierten wie immer in großer Hektik. Sie bauten Geräte zusammen und brachten sie in Position. Sie schufen ganze Versuchsreihen. Mit flinken Händen vermaßen sie das Innere der STYX. Sie taten es, um ihre eigentlichen Ziele zu verschleiern.
Diese Wesen besaßen eine hohe Intelligenz und hatten längst bemerkt, daß Moira sie nur das erkennen ließ, womit sie selbst einverstanden war. Einen Blick in das Zentrum des Rochens erhielten auch die Vierzehn nicht, obwohl Moira es ihnen vorgaukelte. Also mußten sie anders vorgehen. Plötzlich erhöhte sich die Geschwindigkeit ihrer Bewegungen. Geräte wurden zusammengerückt und paßten sich nahtlos ineinander. Ein Terminal entstand, an dem gleichzeitig sechs Personen arbeiteten. Alaska kannte die Muster terranischer Steuertechnik. Seine Vermutung wurde zur Gewißheit, als er mit seinen Blicken die einzelnen Elemente durchmusterte. Ein Prickeln im ganzen Körper zeigte ihm, daß höchste Aufmerksamkeit geboten war. Sekunden später hüllten sich die Räume mit den Spindelwesen in einen violetten Schirm. Allein die seltsame Farbe des Energievorhangs zeigte, daß die Vierzehn bei der Untersuchung der STYX größere Fortschritte gemacht hatten, als der Söldnerin lieb sein konnte. „Sie verwenden deine Schirmtechnik", flüsterte Alaska leise. „Tun sie das wirklich nur, weil du es ihnen erlaubst? Sei vorsichtig, Moira."
Gebannt verfolgte er, was weiter geschah. Sechs der Spindelwesen unter der Leitung von Fünf und Sechs arbeiteten wie besessen an dem Terminal-Komplex. An den Wänden entstanden flache Bildprojektionen, die einzelne Bereiche des Schiffes zeigten. Neben
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