17 - Das Konzil der Verdammten
beruhen lassen und mit Bischof Leodegar gesprochen hätte. Dann wäre ans Tageslicht gekommen, wessen Reliquien tatsächlich in dem Kästchen lagen. Nein, man hat Dabhóc ermordet, um ihn mundtot zu machen, und dasselbe gilt für Gillucán. Der Mörder befürchtete, er wüsste von der Reliquie.
Also Dabhóc war ermordet, und das Reliquienkästchen war gestohlen. Wie weiter? Dabhóc in seinem Zimmer zu lassen, würde zu viele Fragen aufwerfen, falls man feststellte, dass das Kästchen fehlte. Warum also nicht Vorhaben und Tat verschleiern? Wir haben es mit einem raffinierten Täter zu tun. Bischof Ordgar war nach der Abendmahlzeit nicht in sein Gemach zurückgekehrt, also war es ein Leichtes, ihm ein Betäubungsmittel in den Wein zu tun. Als er nach dessen Genuss das Bewusstsein verlor, konnte man Dabhócs Leichnam getrost zu ihm ins Zimmer schaffen. Aber was für einen Grund sollte Bischof Ordgar gehabt haben, den Abt zu töten? Der Hauptverschwörer ersann einen Streich, der alle verwirren musste. Er hatte von dem Streit auf der Vorbesprechung zum Konzil erfahren. Also schlich er zu Abt Cadfans Kammer, schob einen Brief mit einer Notiz unter die Tür, pochte laut, um den Abt zu wecken, und machte sich davon. Wie Cadfan uns wahrheitsgemäß berichtete, stand in dem Brief, er möge sofort zu Ordgar kommen. Er leistete der Aufforderung Folge und wurde von dem ihn erwartenden Mörder niedergeschlagen. Den Zettel ließ man verschwinden. Als nächstes schaffte
man Dabhóc ins Zimmer des angelsächsischen Bischofs, und
die Inszenierung war perfekt. Dabhócs Kammer hatte der
Mörder mit Vorbedacht aufgeräumt. Das Reliquienkästchen
wurde Bruder Andica zugesteckt, der es in dem Gewölbe
unter der Abtei verbergen sollte. Alle Welt würde glauben,
Ordgar oder Cadfan, einer von beiden hätte Dabhóc als
Schlusspunkt ihres Streits umgebracht.«
»Gehst du so weit, zu behaupten, Bruder Andica wäre Gundobad gewesen?«, ließ sich Bischof Leodegar vernehmen. »Das
ist nicht wahr. Ich habe Bruder Andica gut gekannt, Bertrudes
Sohn war der ganz gewiss nicht.«
»Andica kam ja auch nicht aus Divio«, pflichtete Fidelma
ihm bei. »Andica war lediglich einer der Verschwörer. Er
nutzte sein Können als Steinmetz, um regelmäßige Verbindung zu Beretrude zu halten, die Krieger für den Aufstand
anwarb und unterhielt. Wie ich schon sagte, es gibt zwei weitere Verschwörer in der Abtei. Einer von ihnen ist eine Frau.
Ihr ist die Entführung und der Verkauf der verheirateten
Frauen und deren Kinder zur Last zu legen.« Schwester Fidelma machte eine Pause, um ihren Zuhörern Gelegenheit zu
geben, die Nachricht in sich aufzunehmen.
»Selbst bei sorgsam durchdachten Plänen kann etwas dazwischenkommen. In diesem Falle war es das Stelldichein von
Sigeric und Valretrade. Sigeric musste an Ordgars Zimmer
vorbei, stellte fest, dass die Tür offen stand, und sah, was geschehen war. Weil er den Bischof davon in Kenntnis setzte,
kam er zu seiner Verabredung zu spät, und das rettete ihm das
Leben. Valretrade hingegen, die zu dem üblichen Treffpunkt
der beiden in die Katakomben ging, lief Andica und seiner
Mitverschwörerin in die Arme. Glücklicherweise beschlossen die beiden, Valretrade nicht zu töten, sondern sie nur zu den anderen Frauen zu stecken, die als Sklaven verkauft werden sollten. Es war praktischer und einträglicher, sie auf diese Weise aus dem Weg zu schaffen.«
»Und wer, bitteschön, war diese Mitverschwörerin?«, fragte Chlothar.
»Das wird uns Schwester Valretrade sagen. Sie ist diejenige, die gesehen hat, wie zwei der Verschwörer das Reliquiar versteckten.«
Etwas verwirrt blickte Valretrade sie an.
»Du weißt, dass ich nur Bruder Andica, den Steinmetz, erkannt habe, der auch das Reliquienkästchen trug. Die andere Person war eine Frau, eine Nonne, mehr kann ich nicht sagen. Man fesselte und knebelte mich und verband mir die Augen, und davon wurde ich erst in Beretrudes Verließ befreit.«
»Als ich in die Katakomben unten zu unserem Treffpunkt kam, war Valretrade schon eine Gefangene?«, warf Sigeric ein.
»Genauso war es, Bruder Sigeric«, bestätigte Fidelma.
Chlothar wurde ungeduldig. »Dürfen wir erfahren, wer die Frau war, Schwester Valretrade? Fidelma behauptet, du wüsstest es.«
»Ich glaubte, es wäre Radegund gewesen. Aber wirklich sehen konnte ich sie nicht.«
Schwester Radegund beteuerte unter Schluchzen: »Das ist nicht wahr. Nicht wahr.«
»Valretrade, erinnere dich«, drängte Fidelma sie. »Du hast mir
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