1700 - Hüter der Apokalypse
sich aus den einzelnen Teilen der Erinnerung ein Bild zusammen. Er dachte wieder an seine große Entdeckung und daran, dass sie ausgerechnet ihm gelungen war.
Und dann hatte man ihn niedergeschlagen!
Wer hatte das getan?
Er war noch nicht so weit, um darüber nachzudenken. Er dachte an den Blutsaft aus den Früchten der Felsenbirne und daran, dass er ihn in ein Gefäß gefüllt hatte und dabei gewesen war, es zu verschließen. Dazu war er nicht mehr gekommen.
Godwin rieb über seine Augen. Seine Sicht hatte sich gebessert, und er saß so, dass er dorthin schauen konnte, wo das Gefäß mit der wertvollen Flüssigkeit stand.
Nein, gestanden hatte!
Es war weg!
Verschwunden, gestohlen!
Jemand hatte es mitgenommen. Es war derjenige gewesen, der ihn niedergeschlagen hatte. Für ihn gab es keine andere Möglichkeit.
Automatisch sank sein Kopf nach unten. Es war eine Folge seiner Gedanken, denn jetzt war alles umsonst gewesen. Seine Forschungen, sein Kampf, eigentlich alles.
Das Ziel hatte er nicht erreicht. Dafür eine Person, die genau bis zum richtigen Augenblick gewartet hatte.
Ein Verräter, einer, der sich sein Vertrauen erschlichen hatte. Da fiel ihm nur ein Name ein.
Jerome Cassel!
Godwin erschrak über seine Gedanken. Er wollte glauben, dass dies nicht möglich war, doch so sehr er sich auch anstrengte, es fiel ihm keine andere Alternative ein. Wer hätte sich denn sonst an ihn heranschleichen können, ohne von ihm bemerkt zu werden?
Dass er niedergeschlagen worden war, empfand er als schlimm. Aber der Verrat des vermeintlichen Freundes traf ihn noch härter. So sehr er auch grübelte, er fand keine andere Erklärung, denn die Ungläubigen waren bestimmt nicht gekommen, um ihn außer Gefecht zu setzen. Sie hätten ihn auch getötet, denn sein Name und seine Kampfkraft war unter ihnen sehr bekannt.
Nein, das waren nicht sie gewesen. Er dachte an seine eigenen Leute und an diesen verfluchten Verräter. Kein anderer Mann als Jerome Cassel kam für diese Untat infrage.
Die Schmerzen waren mittlerweile auszuhalten. Aber es gab noch etwas, was ihn quälte.
Der Durst!
Erst jetzt merkte er, wie trocken sein Mund war. Wenn er jetzt hätte sprechen müssen, wäre ihm das nicht gelungen. Und nicht nur im Mund war die Trockenheit vorhanden. Auch in seinem Körper hatte sie sich ausgebreitet. Jedenfalls dachte er das.
Godwin wusste nicht, wie lange er unter der Felsenbirne ausgeharrt hatte. Wenn er den Kopf leicht bewegte und dabei die Augen verdrehte, konnte er in die Höhe schauen.
Er sah die Äste, die Zweige und auch die daran hängenden Früchte, die noch darauf warteten, gepflückt zu werden. Er würde es nicht mehr schaffen. Er war zu schwach, in die oberen Regionen des Baumes zu klettern. Außerdem wollte er weg von hier. Seine Männer würden ihn vermissen.
Es war nicht leicht für den Templer, auf die Beine zu gelangen. Seine Waffe hatte man ihm gelassen, und so war es ihm möglich, das Schwert als Stütze zu benutzen.
Langsam kam er hoch. Aus seinem Mund drang ein scharfes Keuchen. Als er stand, war er froh, nicht wieder umzufallen, denn der Schwindel, der ihn packte, war enorm.
Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder gefangen hatte und sich der Boden auch nicht mehr unter ihm bewegte. Er dachte jetzt nicht mehr an den Baum. Es ging einzig und allein um ihn. Er musste weg und sich in Sicherheit bringen.
Die ersten Schritte fielen ihm schwer. Aber Godwin brach nicht zusammen. Nachdem er den Schatten des Baumes verlassen hatte, glitt sein Blick zum Himmel.
Ja, die Sonne war noch zu sehen, sie war allerdings in westliche Richtung gewandert und stand dort wie ein großer Ball, der schon eine leicht rote Farbe angenommen hatte.
Dennoch war es heiß und auch staubig, dazu knochentrocken. Das war kein Ort, an dem sich Menschen lange aufhalten konnten.
Der Templer wusste genau, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte. Diesen Weg musste er nehmen, und er hoffte, dass sein vierbeiniger Freund auf ihn gewartet hatte.
Sein Pferd war da.
Es hatte auch auf ihn gewartet, denn es konnte nicht mehr weglaufen. Tot lag es am Boden, und eine schwarze Wolke aus Fliegen umsummte seinen Kopf.
Godwin hatte keine Tränen mehr. Nur ein Schluchzen drang aus seinem Mund, als er sich dem toten Tier näherte. Er scheuchte die Fliegen zur Seite und erkannte dann, woran sein treuer Begleiter gestorben war. Man hatte ihm mit einem Schwerthieb den Kopf abhacken wollen, war aber nicht so weit gekommen, und so war die
Weitere Kostenlose Bücher