1700 - Hüter der Apokalypse
Frucht öffnete sich unten, die ersten Tropfen quollen hervor und landeten wenig später in der Schale.
Sie waren rot.
Rot wie Blut?
Ein Schauer überlief den Templer, als er daran dachte, was die Legende über diese Früchte sagte.
Da der Erlöser an einem Kreuz aus Felsenbirne gestorben war, hatte sich sein Blut in dem Holz verteilen können. Es war darin eingedrungen und hatte dafür gesorgt, dass aus diesem schlechten Holz etwas Blühendes wurde.
Die Felsenbirne blühte wieder und brachte Früchte hervor, und nur wenige wussten, dass sie den Namen Erlöserbaum bekommen hatte.
Selbst ein Kämpfer wie Godwin de Salier wurde klein. Die Ehrfurcht ließ ihn für eine Weile erstarren. Seine Gedanken wechselten sich mit stummen Gebeten ab, aber er wusste auch, dass er eine besondere Aufgabe zu bewältigen hatte.
Er wollte das Gefäß füllen, und so erntete er Frucht auf Frucht und presste sie mit den Händen aus.
Seine Umgebung hatte er dabei vergessen. Er merkte nicht, dass die Hitze immer mehr zunahm, und dachte auch nicht daran, dass irgendwo im Tal die Ungläubigen lauerten.
Er wollte den Saft. Er wollte das Blut. Es war für ihn so bedeutend wie der Heilige Gral, und er war ausersehen, dieses wertvolle Sekret zurück ins christliche Abendland zu bringen, wohin es gehörte.
Später ging er systematisch vor. Er pflückte die Früchte ab, legte eine Reihe von ihnen neben dem Gefäß auf den Boden, und erst als er immer ein halbes Dutzend zusammenhatte, fing er damit an, sie auszupressen und schaute zu, wie sich das Gefäß immer weiter füllte. Er würde es auch bis zum Rand voll bekommen und es erst dann verschließen. Danach wollte er Lederbänder um es binden, damit der Deckel fest auf dem Unterteil blieb.
Er erntete die letzten Früchte, drückte sie aus und schaute zu, wie der Saft in die Schale floss. Noch immer dachte er daran, dass er hier so etwas wie ein Wunder erlebte. Die Legende war durch seine Entdeckung zur Wahrheit geworden.
Er würde sich eine Audienz beim Papst erbitten. Er musste darüber informiert werden, und er sollte den Blutsaft in Verwahrung nehmen, wo er für alle Zeiten geschützt war.
Das alles ging ihm durch den Kopf. Was in seiner Umgebung geschah, sah er nicht. Auch nicht den Mann, der sich ihm leise näherte.
Erst als er hinter Godwin stand, wurde der Templer aufmerksam. Es war kein Laut, der ihn erreichte, sondern der andere Geruch. Dennoch wurde er gewarnt.
Noch in der Hocke sitzend drehte er sich um.
Genau da traf ihn der Hieb in den ungeschützten Rücken. Godwin schrie auf, fiel nach vorn und glaubte, dass die Schmerzen ihn in zwei Teile zerreißen würden.
Bäuchlings blieb er auf dem Boden und neben dem Gefäß liegen. Hände packten zu und rissen ihm den Helm vom Kopf, danach trafen ihn die Schläge am Hinterkopf und im Nacken.
Sie reichten aus, um ihn in die tiefe Schwärze der Bewusstlosigkeit zu stürzen …
***
Als Godwin de Salier erwachte, wusste er zunächst nicht, was mit ihm passiert war. Er hatte das Gefühl, nur noch aus Schmerzen zu bestehen, die sich in seinem Rücken und auch in seinem Kopf festgesetzt hatten.
Es war nur eine kurze Zeitspanne, die er in diesem schlechten Wachzustand erlebte, denn sofort sackte er wieder weg ins tiefe Reich der Schwärze.
Irgendwann erwachte Godwin de Salier zum zweiten Mal. Auch jetzt fühlte er, wie sein Körper von Schmerzen durchtost wurde, aber er merkte schon, dass seine Gedanken eine gewisse Klarheit bekommen hatten, und das war der erste Weg zurück in die Normalität.
Noch musste er liegen bleiben. Das tat er auch und hütete sich davor, sich zu bewegen. Er brauchte Zeit, um sich zu erholen, er war froh, dass er sich bewegen konnte und sein Rücken nicht in zwei Teile geschlagen worden war.
In seinem Kopf tuckerte und hämmerte es. Für ihn war es nicht möglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber Godwin war auch kein Mensch, der so leicht aufgab.
Überstürzen durfte er nichts. Er musste sich und seine Kräfte erst einschätzen können, um richtig zu reagieren.
Wieder verstrich Zeit. Am Himmel fand die Sonne ihren Weg in Richtung Westen, und der Templer schaffte es schließlich, bis unter die Felsenbirne zu kriechen und sich gegen deren Stamm zu lehnen.
In seinem Rücken hatten sich die scharfen Schmerzen abgeschwächt, im Kopf ebenfalls. Nur von seinem Nacken aus zuckten noch die Stiche bis in den Kopf. Aber Godwin war wieder in der Lage zu denken und sich zu erinnern.
Allmählich setzte
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