1713 - Carlotta und die Vogelmenschen
auf den Rücken des Vogelmädchens geklettert. Diesmal hatte er schon so etwas wie Routine, aber er wusste auch, dass der Flug ihm nicht mehr so große Freude wie vorher bereiten würde, denn ab jetzt war er nur noch Mittel zum Zweck.
Warum hatte der Zug angehalten? Was war da passiert? Hatten die großen Vögel wieder eingegriffen und es geschafft, ihn zum Stehen zu bringen?
Es war durchaus möglich. Johnny hätte nur nicht damit gerechnet, Vögel als Gegner zu bekommen, denn mittlerweile sah er sie als solche an.
Dabei war Carlotta genau das Gegenteil. Auch eine Mischung zwischen Vogel und Mensch, aber als Mensch letztendlich eine wunderbare Person.
Carlotta wusste genau, was sie zu tun hatte. Nur nicht zu nah über den Boden fliegen, da hätten sie zu leicht entdeckt werden können. Der Zug stand, da gab es nichts zu rütteln. Nur den Grund für diesen Halt kannten sie nicht. Noch nicht, aber als sie näher an ihr Ziel heranflogen, da sahen sie die Bewegungen über dem Boden.
Es war ihr Glück, dass sie nicht parallel zum Schienenstrang flogen. Sie waren recht hoch gestiegen und sahen unter sich jetzt den Rand eines großen Waldstücks, an dem auch die Gleise entlang führten.
»Da passiert gleich was!«, rief Johnny.
»Das denke ich auch.«
Sie kamen näher. Nur die Vogelwesen waren zu sehen, ein Mensch ließ sich nicht im Freien blicken. Die Reisenden waren alle in den Waggons geblieben.
Licht fiel durch die Fenster ins Freie. Am Rand des Zugs entlang zog sich ein heller Schimmer, und er wurde plötzlich von einer Bewegung unterbrochen, weil aus einer offenen Tür ein Mann getreten war. Da er eine Mütze trug, erkannten die beiden, dass es sich um einen Bediensteten der Bahn handelte.
Der Mann schaute sich um, während Carlotta langsam an Höhe verlor. Dabei ging sie sehr behutsam vor, weil sie nicht entdeckt werden wollte.
Plötzlich schossen sie heran. Selbst die beiden Zeugen in der Höhe wurden von dem Angriff überrascht. Es waren die drei Riesenvögel, die wie aus dem Nichts erschienen und sich auf den Mann stürzten. Die Krallen hatten die Angreifer ausgefahren, und die hackten sie in die Kleidung des Mannes, der nicht in der Lage war, sich zu wehren.
Carlotta war noch tiefer gesunken. Sie und Johnny hatten sich einen Platz im kahlen Geäst eines Baums gesucht.
Es gab für die beiden nicht mehr viel zu sehen. Nur eines noch, und das war schrecklich. Die Vogelwesen stiegen mit ihrer Beute in die Luft und hatten den schweren Körper so hart gepackt, dass er ihnen nicht entglitt. Drei hatten sich um ihn gekümmert, zwei weitere dieser Gestalten tauchten zusätzlich auf und flankierten ihre Artgenossen, als diese auf den Wald zuflogen, in der Dunkelheit verschwanden und zwei einsame Beobachter zurückließen, die sich anschauten und erst mal nichts sagen konnten.
»Das ist doch der reine Wahnsinn«, flüsterte Johnny. »Die – die – haben tatsächlich einen Menschen entführt.«
»Stimmt.«
»Und was machen sie mit ihm?«
»Keine Ahnung, Johnny, aber wir sind Zeugen. Da wird noch was auf uns zukommen.«
Das wusste Johnny Conolly auch. Er hatte sich längst entschieden. »Bitte, setz mich auf dem Boden ab.«
»Und dann?«
»Ich muss einfach mit dem Lokführer sprechen. Möglicherweise kann er uns mehr sagen.«
»Klingt nicht gut.«
»Warum nicht?«
»Da würde unsere Tarnung auffallen.«
»Nein, Carlotta, deine nicht. Du hältst dich zurück, wenn ich mit dem Mann rede. Ich gehe zudem davon aus, dass er die Polizei alarmiert hat. Bevor die hier ist, sind wir wieder weg.«
»Okay du kannst es ja versuchen.«
Carlotta und Johnny flogen dem Ziel behutsam näher. Sie mussten auch damit rechnen, dass plötzlich die Reisenden an den Fenstern erschienen, um herauszufinden, warum sie mitten auf der Strecke hielten. Einige von ihnen würden bestimmt ihren Wagen verlassen.
Deshalb setzte Carlotta Johnny ein Stück entfernt ab. Den Weg zur Lok musste er zu Fuß zurücklegen, was keine große Entfernung war.
Johnny hörte die fremden Stimmen. Die Reisenden wollten jetzt wissen, warum der Zug anhielt. Sie erschienen an den Fenstern. Es wurde nach dem Zugbegleiter gerufen, der ihnen keine Antwort mehr geben konnte. Auf die Idee, den Lokführer zu fragen, war noch keiner gekommen, abgesehen von Johnny Conolly.
Johnny musste vor der Lok stehend hochschauen. Durch das Fenster sah er das Gesicht des Lokführers. Er winkte heftig und hoffte, dass seine Geste verstanden wurde.
Sie wurde, denn die
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