1713 - Im Bann der Abruse
unvorhersehbar - in keinem Fall aber positiv.
Wurde dies von der Abruse provoziert, um sie zu einer unbedachten Handlung zu verleiten? Vielleicht hatte das Wesen erneut seine Strategie geändert, nachdem alle bisherigen Störungsversuche keinen Erfolg gebracht hatten.
Aber wie ging die Abruse dabei vor, daß es derart realistisch wirkte?
Bisher hatten die Projektionen nur desorientierend gewirkt, doch dies... war einfach zu real. Setzte dieses unbegreifliche Wesen eine neue, den Ayindi völlig unbekannte Waffe ein? War es ihr möglich, Lebewesen in eine andere Ebene zu versetzen oder an andere Orte zu transferieren?
„Nein"-, sagte Nadja laut. „Du willst mich nur verwirren. Ich weiß, daß ich immer noch an Bord der CADRION bin. Möglicherweise sind wir dir zu nahe gekommen, so daß dein Einfluß auf uns zusehends wächst. Aber ich lasse es nicht zu. Du glaubst, leichtes Spiel mit uns zu haben, wenn du uns trennst. Aber das klappt nicht."
Sie ignorierte das glühende Klopfen und Pochen an ihrem Arm, zwang sich, ruhig zu atmen, und ging langsam weiter. Irgendwann einmal mußte sie an eine Wand stoßen, egal, in welche Richtung sie sich bewegte. Sie mußte nur Geduld aufbringen, tief atmen und den Schmerz ignorieren.
Der Schmerz ist nicht da. Es ist nur Einbildung.
Monoton wiederholte sie pausenlos diese Sätze, um keine anderen Gedanken aufkommen zu lassen. Sie mußte nur länger durchhalten als die Abruse, das war alles.
Andererseits... wenn die Abruse einen Weg gefunden hatte, die beiden Frauen durch ihre Projektionen zu beobachten, geradezu zu durchleuchten, hatte sie vielleicht auch eine Möglichkeit entdeckt, direkt auf die Nervenbahnen einzuwirken. Das würde dann bedeuten, daß nach wie vor keine Verletzungsgefahr bestand, aber der Schmerz an sich war echt - über die Rezeptoren der Nerven induziert.
Nicht daran denken. Das ist nicht wahr.
Trotzdem spürte Nadja, wie sie immer schwächer wurde. Ihre Beine wurden weich wie Gummi, und sie stolperte mehr als einmal. Das Fieber breitete sich rasch über ihren ganzen Körper aus.
Dann beging sie den Fehler, den Arm anzuschauen.
Er war dick aufgeschwollen, mit Eiterpusteln übersät, und die Haut verfärbte sich an mehreren Stellen schwarz.
Nadja fühlte, wie ihr übel wurde.
*
Aus den Nebeln bildete sich ein Körper, ein Gesicht.
Nadjas Gesicht.
Perfekt nachgeahmt, nur leicht durchscheinend, lächelte das Geschöpf sie an, als schien es ihr etwas mitteilen zu wollen.
„Was soll das?" wiederholte Mila. „Was willst du?"
Suchend blickte sie sich in der Zentrale um. Es war keine weitere Projektion zu bemerken außer der ätherischen Gestalt vor ihr, die nun vollständig ausgebildet war, die genauso aussah und sich bewegte wie ihre Schwester.
„Du bist nur ein Schatten", sagte Mila. „Ich weiß nicht, was dieser Unsinn zu bedeuten hat, aber du solltest mich jetzt besser in Ruhe lassen."
Sie wandte sich dem einzigen noch intakten Kommandosessel zu, um eine Reihe von Schaltungen vorzunehmen, aber die Projektion ließ sich nicht so schnell zurückweisen.
Die Schatten-Schwester stellte sich vor Mila und winkte ihr. Sie konnte nicht sprechen, dennoch bewegte sie lebhaft die Lippen, zwinkerte mit den Augen und wedelte mit den Armen.
Mila versuchte, von den Lippen zu lesen, aber sie konnte nichts verstehen.
„Was machst du da?" fragte sie beunruhigt. „Was willst du mir mitteilen?"
Das immaterielle Geschöpf ging durch die ganze Zentrale, deutete auf die Trümmer und Geräte, die zerstört waren. Dabei sah es immer wieder bekümmert zu Mila, als bedauere es, was geschehen war. Es bewegte ununterbrochen den Mund und gestikulierte mit den Händen, deutete auf verschiedene Systembereiche und schien mitteilen zu wollen, wie diese zu reparieren wären.
Auf Milas Stirn bildete sich eine steile Falte. „Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat", murmelte sie düster. „Aber das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht."
Sie ging rasch auf die Projektion zu und tat so, als würde sie sie heftig angreifen. Wie erwartet, reagierte diese nicht, sondern setzte ihre merkwürdige Vorstellung fort.
Sie kann nicht mit mir kommunizieren, mich nicht verstehen. Aber sie hat es inzwischen fertiggebracht, uns nachzuahmen. Sie lernt durch die ständige Beobachtung dazu. Und indem sie uns nachahmt, will sie herausfinden, was genau wir vorhaben oder wie weit wir bereits sind.
Diese Schlußfolgerung beunruhigte Mila, denn es bedeutete,
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