1721 - Verschwunden in der Höllengruft
hinausgeschrien, aber sie hielt sich zurück. Ihre nächsten Worte sprach sie flüsternd. »Und warum zeigst du dich deiner eigenen Ehefrau gegenüber maskiert? Kannst du mir das sagen?«
»Ja, weil es so besser ist.«
Ihr Lachen endete in einem Schrei. So etwas hatte sie noch nie gehört. Das konnte sie auch nicht akzeptieren. Es war nicht besser für sie. Dafür gab es keine Gründe. Sie war seine Frau, und das dokumentierte sie mit ihrer Forderung.
»Ich will dein Gesicht sehen!«
»Nein!«
Sie beugte sich vor, und ihr Gesicht verzerrte sich. »Doch, ich will es sehen und nicht nur deinen Körper. Ich will dich anschauen können, wenn ich mit dir rede.«
»Das ist nicht gut. Es würde dir sicherlich keinen Spaß machen, das musst du mir glauben. Mein Gesicht kennst du. Und du wirst es so in Erinnerung behalten.«
»Und warum darf ich es jetzt nicht sehen?«
»Es wäre nicht gut, verdammt!«
Sie lachte auf. »Das musst du schon mir überlassen, was gut für mich ist oder nicht.«
»Bitte, du musst mir glauben. Das ist nicht mehr mein Gesicht, versteh doch.«
Ellen musste nachdenken. Ihr schossen schlimme Dinge durch den Kopf, die sie allerdings nicht thematisieren konnte, ihre Überlegungen endeten in einem Satz.
»Ich will dein Gesicht sehen, ich will es anfassen, ich will begreifen, was mit dir ist.«
»Es ist zu schlimm«, flüsterte Simon.
»Sorry, aber das musst du mir überlassen!«
Zwischen dem Ehepaar entstand eine Schweigepause. Simon Cooper seufzte schließlich und schüttelte den Kopf. »Es ist wirklich nicht gut, was du verlangst. Es ist besser, wenn ich wieder gehe. Behalte mich so in Erinnerung, wie ich war.«
»Ich bin dagegen.« Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich will dich ganz sehen.«
Cooper seufzte nicht mehr, sondern stöhnte. Dann hob er die Schultern und auch seine Arme leicht an. Er sagte nichts mehr, seine Frau sah, was er vorhatte, und sie wunderte sich, dass er ihrer Bitte plötzlich nachkam.
Ihr schoss alles noch mal durch den Kopf, was sie in den vergangenen Minuten gehört hatte. Obwohl er nichts Konkretes mitgeteilt hatte, war in den Worten so etwas wie eine Warnung versteckt gewesen. Nur wusste Ellen nicht, auf was sie sich einstellen musste. Sie war gespannt, neugierig und zugleich innerlich ablehnend. In einer derartigen Zwickmühle hatte sie sich noch nie befunden.
Simon Cooper krallte die Finger in die Mütze. Seine Frau rechnete damit, dass er die Wollmütze mit einem Ruck über den Kopf ziehen würde, was nicht geschah.
Er ließ sich Zeit. Er streifte den Stoff langsam hoch, deckte ihn allerdings so mit seinen Händen ab, dass Ellen von seinem Gesicht noch nicht zu viel sah.
Das änderte sich wenig später, denn den letzten Rest schaffte er mit einem Ruck.
Jetzt lag das Gesicht frei.
Und Ellen schrie auf!
***
In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, Akteurin in einem Horror-Film zu sein. Was sie da zu sehen bekam, das war nicht mehr normal. Das war kein menschliches Gesicht, das war eine zerfetzte Fratze von einer rötlichen Farbe.
Sie schüttelte den Kopf, ohne dass sie etwas sagte. Den linken Handballen hielt sie gegen ihre Lippen gepresst. Sie hätte nicht sprechen und schreien können.
Simon Cooper hatte seinen Platz nicht verlassen. Er saß da und ließ sich anstarren, und Ellen schaffte dies auch. Sie senkte den Blick nicht und schaute auch nicht zur Seite. Sie dachte an Verbrennungen, die man sich auf diese Art und Weise holte. Möglicherweise war Simon in einen Feuersturm geraten und hatte sich noch soeben retten können, aber nicht, ohne gezeichnet zu sein.
Es war schlimm. Sie fand keine Erklärung und starrte schweigend nach vorn.
Es gab in diesem Gesicht keine normale Haut mehr. Was mal Haut gewesen war, hing als kleine Fetzen herab. Die normale Farbe war bei ihnen verschwunden. Sie schimmerten in einem dunklen Rot und manchmal bis ins Schwarz hinein.
Was sie sah, war einfach grauenhaft und unmenschlich. Und es stand für sie auch fest, dass kein Mensch mit einem derartigen Gesicht herumlaufen konnte. Er würde immer abgelehnt werden, und so war diese Mütze zu einem Schutz geworden.
Es gab auch keine normalen Lippen mehr. Sie mussten verbrannt sein. Dort, wo sie sich befunden hatten, waren Blasen zu sehen oder auch Pusteln, die im nächsten Moment aufplatzen konnten.
Selbst die Ohren waren angesengt und kleiner geworden, als hätten sie kurz von dem Schmelzen gestanden.
»Bist du nun zufrieden, Ellen?«
Sie war
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