1722 - Flucht in die Finsternis
Freundinnen.«
»Die du kennst?«
»Nein, nur eine.«
»Und wer ist das?«
Auch in die Augen eines Halbvampirs kann ein Glanz treten, der nichts mit der Gier nach Blut zu tun hat. Auch bei ihm war es so. Dieser Glanz irritierte mich, weil er einen nahezu schwärmerischen Ausdruck zeigte. Ich hätte eigentlich darauf kommen müssen, wer diesen Glanz ausgelöst hatte, doch diesmal war Suko schneller. »Er kann nur von Justine Cavallo sprechen, John.«
Mirko hatte Suko gehört. Er fing plötzlich an zu lachen und sagte: »Ja, so heißt sie. So heißt unsere Königin. Sie ist das Absolute. Wir tun alles für sie, denn sie hat uns versprochen, uns zu echten Blutsaugern zu machen.«
»Aha«, sagte ich trocken. »Und hat sie dieses Versprechen auch gehalten?«
»Ja. Aber noch nicht bei mir. Sie hat es mir nur versprochen, und ich weiß, dass sie ihr Versprechen halten wird.«
Ich verzog meine Lippen. »Und daran glaubst du jetzt auch noch?«
»Ja.«
»Dann sag mir, was dich so optimistisch macht. Ich jedenfalls sehe da nichts.«
»Die Lage an sich«, erwiderte er. »Du wirst es mit deinem Freund nicht schaffen. Ihr habt gegen Justine keine Chance. Wenn sie erfährt, dass mir etwas passiert ist, wird sie euch jagen. Sie wird euch stellen und euer Blut bis zum letzten Tropfen aussaugen. So hat sie es auch bei Olivia gemacht, denn sie ist keine Halbvampirin mehr, sie hat die obere Stufe erreicht.«
»Das weißt du?«
»Ich habe es sogar gesehen und sie angefleht, auch mein Blut zu trinken. Sie hat mich vertröstet, aber ich weiß, dass sie ihr Versprechen einhalten wird. Wenn ihr euch retten wollt, dann haut ganz schnell ab. Den Rat bekommt ihr noch.«
Beinahe hätte ich gelacht. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Er war es, der in der Falle saß, und wir standen am längeren Arm des Hebels. Zudem war er ein Mörder, der zur Rechenschaft gezogen werden musste.
»Wir werden trotzdem auf Olivia warten«, erklärte ich. »Sie wird bestimmt bald hier sein.«
»Ach, da könnt ihr lange warten. Und wenn sie kommt, wird sie euch fertigmachen.«
Dass wir etwas dagegen hatten, lag auf der Hand. Von dem Halbvampir vor uns konnten wir keine Hilfe erwarten. Er musste sich auch nicht mehr verstecken und konnte sein wahres Gesicht zeigen. Auf unsere Seite würde er sich nicht schlagen. Suko warf mir einen Blick zu. Mein Freund nickte, und damit hatte er mir die Antwort gegeben, die ich wollte.
Ich hätte mein Kreuz nehmen können, aber Suko holte bereits seine Peitsche hervor und schlug den Kreis.
Drei Riemen glitten aus der Öffnung. Mirko, der auf dem Stuhl hockte, verfolgte die Aktion mit bebenden Blicken. Er ahnte, dass etwas auf ihn zukam.
Wir mussten ihn ausschalten und fühlten uns dabei nicht als Mörder. Dafür stand die andere Seite, da brauchten wir nur einen Blick auf den Toten zu werfen.
Ich sah, wie Suko zuschlug.
Es wurde ein Volltreffer, und Mirko Morley brüllte auf. Der Schrei brandete gegen meinen Rücken, denn ich befand mich bereits auf dem Weg ins Nebenzimmer, wo Jean Katanga wie ein Häufchen Elend auf dem Schreibtisch hockte und zusammengezuckt war, weil auch er den Schrei gehört hatte.
»Was war das?«, fragte er.
Ich sagte ihm die Wahrheit. »Das Ende eines Halbvampirs. Man kann ihn nicht auf die Menschen loslassen. Er würde nur ihr Blut trinken und niemals genug davon bekommen.«
»Wenn Sie das sagen.«
In der offenen Tür erschien Suko. »Was machen wir, John? Bleiben wir hier und warten oder verziehen wir uns?«
»Ich weiß es nicht.«
»Jedenfalls müssen die beiden Toten abgeholt werden.«
Jean Katanga meldete sich. Seine Stimme klang flüsternd und rau. »Ist der andere auch tot?«
Suko nickte.
»Darf ich ihn sehen?«
»Bitte, ich habe nichts dagegen. Aber er sieht nicht gut aus, das ist leider so.«
»Trotzdem, ich muss ihn mir anschauen, ich will ja wissen, was aus Halbvampiren wird, wenn man sie vernichtet.«
Wir ließen ihn gehen, blieben aber an seiner Seite. Als er den Körper des Halbvampirs sah, blieb er ruckartig stehen und presste eine Hand vor den Mund.
Mirko Morley saß noch immer auf seinem Stuhl. Nur war er in seiner Haltung zusammengesunken, und sein Körper sah nicht mehr so aus wie vorher.
Am Gesicht war deutlich zu erkennen, was die Kraft der Dämonenpeitsche mit ihm gemacht hatte. Von der Stirn bis zum Kinn war die Haut in einem Streifen weggeplatzt, und so hatte sich auf seinem Gesicht ein blutiger Streifen gebildet.
Jean Katanga drehte sich
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