1722 - Flucht in die Finsternis
daran dachte, sein Messer einzusetzen, denn auf diesem Handgelenk stand Sukos zweiter Fuß.
»Alles klar?«, fragte Suko.
Er hörte den Fluch, was ihn und mich nicht weiter kümmerte, denn ich wollte herausfinden, was hier genau passiert war. Ich ging zum Schreibtisch und schaute dahinter.
Ich hatte es geahnt und auch damit gerechnet, doch das jetzt so genau zu sehen, war trotzdem schlimm.
Vor mir lag der fast nackte Körper eines jungen Mannes. Er war mit zahlreichen Schnittstellen oder Wunden übersät, denn das Messer hatte ihn an den verschiedensten Stellen erwischt. Aus all diesen Wunden war das Blut gequollen, jetzt allerdings nicht mehr, denn der Mann war tot. Das sagte mir der gebrochene Blick seiner Augen.
Der Tote sah schlimm aus. Das muss als Beschreibung reichen. Sogar beide Wangen waren aufgeschlitzt worden. Um ihn herum auf dem Boden hatte sich das Blut verteilt, und als ich aus meiner gebückten Haltung wieder in die Höhe kam, da hörte ich einen Laut, der gepresst klang und dabei so etwas wie ein Würgen andeutete. Ich drehte mich herum und schaute in das von Schweißtropfen bedeckte Gesicht Jean Katangas. Selbst unter seiner dunklen Haut war er blass geworden.
»Gehen Sie bitte ins Nebenzimmer.«
Er nickte, verschwand, und durch die offene Tür klang sein Stöhnen. Den endgültigen Beweis dafür, dass es sich bei Olivia Peck um eine Halbvampirin handelte, hatten wir zwar nicht bekommen, aber dieser Mann gehörte zu ihr. Wir mussten davon ausgehen, dass er ein Opfer ihrerseits geworden war.
Suko hatte inzwischen gehandelt und dem Mann Handschellen angelegt.
Auf dem Schreibtisch stand ein Schild mit seinem Namen. Er hieß Mirko Morley.
Suko zerrte ihn auf die Füße. Das Messer mit der blutigen Klinge hatte er unter den Schreibtisch gekickt. Jetzt schleuderte er den Halbvampir auf einen Stuhl, wo er mit auf dem Rücken gefesselten Händen hocken blieb.
Er glotzte uns an. Seine Augen waren blutunterlaufen. Aus dem Mund schnellte die Zunge, um einige rote Tropfen wegzulecken, die sich um die Lippen verteilten.
»Was machen wir mit ihm, John?«
»Er ist die Spur zu dieser Olivia.«
»Genau. Und ich denke, dass er uns etwas von ihr erzählen kann.«
Ich sprach ihn an. Das Kreuz hielt ich noch in der Hand, hatte allerdings meine Faust darum geschlossen.
»Du heißt Mirko Morley.«
Er lachte und spie aus. Was auf den Boden klatschte, war eine Mischung aus Speichel und Blut.
Ich blieb ruhig, und auch meine Stimme klang ruhig, als ich weiter sprach.
»Es kommt auf dich an, wie wir uns verhalten, deshalb solltest du dir deine Antworten gut überlegen, denn wir wollen die Wahrheit hören. Wenn nicht und wir Lügen hören müssen, können wir ziemlich unangenehm werden.«
Er streckte uns die Zunge entgegen und lachte. Wahrscheinlich hatte er vergessen, was er bereits in meinem Besitz gesehen hatte. Das wurde ihm jetzt erneut präsentiert, und er schrie leise auf, als er auf mein Kreuz schaute.
»Ich denke, dass wir uns jetzt weiter unterhalten«, sagte ich, wobei meine Stimme sogar freundlich klang. »Du kannst es dir aussuchen, wie deine Zukunft aussehen soll. Dass es mir nichts ausmachen wird, dich zu vernichten, das wollen wir erst mal festhalten. Ich weiß auch, dass du zu den Halbvampiren gehörst und du Blut brauchst, es aber nicht so trinken kannst wie ein normaler Vampir. Du siehst also, dass wir informiert sind. Aber wir wissen leider noch zu wenig und möchten gern mehr über die Person erfahren, mit der du dich zusammengetan hast.«
»Ich bin allein, ich wollte Blut und habe es mir geholt. Ich wollte ihn auch nicht direkt töten, aber dann überkam mich ein Rausch, und sein Blut schmeckte so köstlich. Da habe ich eben so viel wie möglich getrunken.«
»Ja, und ihn getötet.«
»Das war Pech. Ich wusste nicht, dass er so schwach gewesen ist.« Er kicherte.
»Verstanden«, sagte ich. »Aber du bist nicht mehr interessant, Mirko. Uns geht es um eine andere Person.«
Seine Augen verengten sich, als ich weiter sprach. »Wo steckt Olivia Peck?«
Er gab die Antwort auf seine Weise, denn er schüttelte heftig den Kopf.
Ich stellte die Frage erneut.
»Keine Ahnung, wo sie ist. Kann sein, dass sie hier ist und neues Blut braucht, ja, bestimmt. Aber ich weiß nicht, wo sie es sich holen will.«
»Und du hast auch keinen Verdacht?«
»Nein, wie sollte ich? Sie hat mir nichts gesagt.«
»Und wann kommt sie zurück?«
»Hat sie auch nicht gesagt. Sie hat viele Bekannte und auch
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